Alkohol zu Weihnachten

Vielleicht kommt es dem einen oder der anderen nicht so vor – aber Weihnachten liegt noch nicht einmal vier Wochen zurück. Das Fest der Harmonie und des Friedens, das in der Wirklichkeit oft ganz anders ausschaut.

Morgengedanken 17.1.2017 zum Nachhören:

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„Mom got drunk and Dad got drunk – on our Christmas party.” Vom Anfang an ist im Weihnachtslied des texanischen Countrysängers Robert Earl Keen für Idylle kein Platz. Da gleitet kein Schlitten durch ein verschneites „Winterwonderland“, da finden keine sehnsüchtig Liebenden sich unter dem Mistelzweig küssend zueinander. Mein Lieblingsweihnachtslied beschreibt keine stille und heilige Nacht: Im grellen Licht künstlicher Weihnachtsbeleuchtung und Sprühschnee aus der Dose, begleitet von Weihnachtsliedern aus der Konserve und dem ewig laufenden Fernseher, trifft sich die Familie zum Essen, Trinken, Feiern. Dass der neue Freund der kleinen Schwester Mexikaner ist, schockiert genauso, wie dass der älteste Bruder schon wieder eine neue Frau hat. Sie ist jung, könnte seine Tochter sein, trinkt als einzige nichts. Kettenrauchend hält sie die ganze Zeit Monologe über ihr Programm bei den Anonymen Alkoholikern.

Christian Herret
ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Dreikönigsaktion, des Hilfswerks der Katholischen Jungschar

Wirkliche Menschen mit echten Problemen

Anfangs hab ich das Lied für Satire gehalten. Der Gegensatz zu der der sonst überall besungenen besonderen Zeit, voller Liebe, Verständnis und Friede ist brutal. Wenn man aber genau hinhört, dann erkennt man die Liebe, mit der Kean über den Haufen, der da zu Weihnachten zusammenkommt, singt. Eine Patchworkfamilie, ansatzweise rassistisch, mit Sucht- und Beziehungsproblemen - meilenweit von jeder Idealvorstellung entfernt. Er singt mit Verständnis über die Probleme und Sorgen jedes Einzelnen. Beschreibt ihre Schwächen mit liebevollem Augenzwinkern. Und singt über einen Weihnachtsfrieden, dem nichts Romantisches anhaftet, sondern der eher einer der normativen Kraft des Faktischen ergebenen Lethargie entspringt als dem Wunsch nach Harmonie und Versöhnung.

Robert Earl Keen singt von einem Weihnachtsfest von und für wirkliche Menschen mit echten Problemen. Und für die ist die Weihnachtsbotschaft ja in die Welt gekommen.