Noch einmal mit Gefühl!

Mein geliebter Erich Kästner sagte: „Es gibt Gefühle, auf die man seelisch nicht eingerichtet ist. Das sind die sogenannten gemischten Gefühle, sie machen uns ratlos, weil sie über unsere Verhältnisse gehen.“

Gedanken für den Tag 6.2.2017 zum Nachhören:

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Wie recht er wieder hat, dieser „Poet für den praktischen Gebrauch“, wie er genannt wurde. Wie oft haben wir diese gemischten Gefühle... Sollen wir unserem Bauchgefühl, vornehm gesagt unserer Intuition, folgen, oder unserem Verstand?

Rein gefühlsmäßig

In dem Altersheim, vornehm gesagt in der Senioren Residenz, in der ich jetzt lebe, begegne ich immer wieder einer alten Dame mit ihrem Rollator. Wir grüßen einander höflich. Sie schien mir verbittert und einsam. Eines Tages lächelte sie mich an, und ich fragte: „Geht es Ihnen gut?“ „Ohja“, antwortete sie: „Ich habe zu tun. Dreimal in der Woche bringe ich einem jungen Mann, der nur tiefsten Dialekt sprach, die richtige Aussprache bei. Sie müssen wissen, ich war Fremdenführerin und ich habe mit vielen Menschen gesprochen.“

Topsy Küppers
ist Schauspielerin und Autorin. Ihr Buch „Mein Ungustl - ein widerlicher Gast“ ist im Verlag Langen-Müller erschienen.

„Aber wie sind sie auf diese Idee gekommen?“ „Rein gefühlsmäßig“, antwortete sie: „Das war im Supermarkt. Ich stand mit meinem Rollator vor einem Regal, und ein Bursch sagte zu mir: „Geh Oide, schleich di!“ Ich sagte: „Ich versteh dich nicht, kannst du das auch richtig sagen?“ Er sah mich erstaunt an, und meinte: „Naa...“ „Es heißt aber - Entschuldigung, würden Sie bitte etwas zur Seite gehen… Lernst oder arbeitest du irgendwo?“ „Naa...“

„Ganz spontan bot ich ihm an, seine Sprache auszubessern, kostenlos, versteht sich. Dann kommst du besser voran. Er sah mich an wie ein Clown, dem die Witze ausgegangen sind. Aber nun kommt er regelmäßig. Es ist für uns beide eine mühsame Angelegenheit, aber er macht gute Fortschritte. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mir noch Batterien für mein Hörgerät besorgen. Sobald er hochdeutsch spricht nuschelt er so leise, dass ich ihn kaum verstehe. Auf Wiedersehen!“

Ich sah der Neunzigjährigen nach, und mir fiel ein Ausspruch des Philosophen Victor Frankl ein. „Es ist keine Schande, im Alter ein Ziel zu haben. Es ist eine Schande, kein Ziel zu haben.“

Musik:

London Festival Players unter der Leitung von Bernard Herrmann: „Grand ritournelle; Valse du mysterieux baiser dans l’oeil“ von Erik Satie
Label: Decca 4213952