Gefühlsbezeugungen

Ich glaube, dass viele Menschen das Gefühl für aufrichtige Gefühle, die ihnen entgegengebracht werden, nicht mehr wahrnehmen können. Sie sind skeptisch, misstrauisch, aber – sie umarmen und küssen sich auf beide Wangen. Vor allem wenn Leute oder eine Kamera in der Nähe sind.

Gedanken für den Tag 9.2.2017 zum Nachhören:

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Wie kalt, wie konventionell sind diese Gefühlsbezeugungen. Dabei sollte doch die Umarmung signalisieren: Dich mag ich besonders gern. Aber – wie entzieht man sich einer ungewollten Umarmung? Oder dem angedeuteten Busserl auf beide Wangen? Man weiß doch, das Busserl wird erzwungen, um die Beziehung zu verbessern, oder um wichtigtuerisch zu zeigen, schau her, so gut bin ich mit ihm oder ihr …

Gefühle respektieren

Solchen Personen sollte man sich entziehen. Ein Händedruck, ein freundliches Nicken signalisiert, ich bin unabhängig. Anständige Menschen spüren sofort, was gemeint ist. Und die anderen? Es gibt „Fans“, die wollen ihrem Idol so nahe wie möglich sein. Es nicht nur sehen, sondern auch berühren – umarmen … küssen …

Topsy Küppers
ist Schauspielerin und Autorin. Ihr Buch „Mein Ungustl - ein widerlicher Gast“ ist im Verlag Langen-Müller erschienen.

Manche Künstler sind abergläubische Menschen und fürchten die Nähe ihrer Fans. Mit Recht, wie das Erlebnis des Komponisten Guiseppe Verdi im Jahr 1848 beweist. Der Maestro fürchtete sich vor einem Fan, der ihm überall hin folgte, und behauptete, dieser Mann bringe ihm Unglück. Er verfolge ihn und er habe den bösen Blick! Verdis Kammerdiener und seinen Freunden gelang es, den lästigen Verehrer fern zu halten.

Der 1. und 2. Akt der Oper Luisa Miller wurde mit großem Applaus und Jubel vom Publikum aufgenommen. Aber – in der Pause war es dem Fan gelungen, in Verdis Garderobe zu stürzen, ihn zu umarmen und zu beglückwünschen. Verdi war außer sich. Der dritte Akt beginnt und damit ein Zischen, das sich in ein Pfeifkonzert verwandelt. Damit war das Schicksal der Oper Luisa Miller im Opernhaus von Neapel entschieden – es wurde ein Misserfolg! Verdis Angstgefühl vor dem „bösen Blick“ hatte Recht behalten.

Respektieren wir also die Gefühle anderer Menschen, machen wir uns nicht lustig darüber, denn wie heißt es im Faust?: Bist du ein Mensch – so fühle meine Not!

Musik:

Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Giuseppe Sinopoli: „Ouvertüre“ zu „Luisa Miller“ - Oper in 3 Akten von Giuseppe Verdi
Label: Philips 4114692