Demonstrationsfreiheit

Weltweit haben Menschen gegen das von US-Präsident Donald Trump verfügte Einreiseverbot für Muslime demonstriert. Hunderttausende gingen in Rumänien auf die Straße, um gegen ein Gesetz zu protestieren, das Strafmilderung bei Korruption vorsah.

Zwischenruf 19.2.2017 zum Nachhören:

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In Frankreich demonstrieren seit Tagen Menschen, um exzessive Polizeigewalt anzuprangern. Sie alle wollen ihren Unmut gegen Unrecht, Diskriminierung, Rassismus und Gewalt bekunden. Sie wollen ihr Unbehagen und ihren Protest zum Ausdruck bringen, und sie wollen sich Gehör verschaffen.

Thomas Hennefeld
ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich

Regierungskritik seinerzeit

Öffentlicher Protest gegen Unrecht und Willkür ist schon aus älteren Zeiten bekannt. Vor mehr als 2500 Jahren traten Menschen durch Demonstrationen und Aktionismus öffentlich als Warner und Mahner in Erscheinung. In der Bibel, im Alten und im Neuen Testament, wird von solchen Mahnern berichtet. Der Prophet Jeremia zum Beispiel erhielt von Gott den Auftrag, einen Tonkrug zu kaufen und ihn vor den Männern der Stadt zu Boden zu werfen. Der in tausend Scherben zerbrochene Krug symbolisierte das zerbrochene Volk, dessen Land von fremden Mächten erobert werde. Mit dieser Aktion kritisierte der Prophet die falsche Politik seiner Regierung.

Jesaja bekam von Gott den Auftrag, drei Jahre nackt durch die Stadt zu gehen. Damit warnte er vor einer Katastrophe und dass die Menschen so nackt weggeführt werden könnten, wenn sie ihren Sinn nicht änderten. Auch diese Aktion kann als Regierungskritik verstanden werden.

Zwischenruf
Sonntag, 19.2.2017, 6.55 Uhr, Ö1

Jesus von Nazareth stürzte die Tische der Wechsler im Tempel um, ohne Rücksicht auf die Interessen der Geschäftsinhaber. Damit demonstrierte er, dass das Haus Gottes nicht zur Räuberhöhle gemacht werden dürfe.

Die Reformatoren ließen sich ähnlich aufsehenerregende Aktionen einfallen. Sie nahmen sich die Freiheit, ihre Aussagen zu illustrieren und zu demonstrieren, öffentlich evangelisch zu predigen und provokante Thesen zu verbreiten. Das war lange bevor die Demonstrations-und Versammlungsfreiheit mit Blut und Tränen erkämpft wurde.

Menschenrecht auf Demonstration

Aber diese wertvollen Errungenschaften können auch wieder verloren gehen. Sie müssen geschützt werden. Überall dort, wo einzelne Politiker oder Parteien solche Grundrechte angreifen, braucht es große Hellhörigkeit. Wenn ein Minister laut über die Einschränkung des Demonstrationsrechtes nachdenkt, müssen in der Zivilgesellschaft die Alarmglocken läuten. Wer am Demonstrationsrecht rüttelt, der empfindet Demonstrationen als lästig, ärgerlich oder gar als Bedrohung anstatt darin eine unverzichtbare Form gesellschaftlicher Teilhabe zu sehen.

Damit das klar gesagt ist: Demonstrationsrecht ist ein Menschenrecht. Es ist ein Ausdrucksmittel, durch das Menschen etwas öffentlich machen können, sei es im Einsatz für eine Volksgruppe oder um das Interesse einer gesellschaftlichen Gruppe zu vertreten, die sonst vielleicht gar keine Stimme hätte. Und Demonstrationen können auch etwas bewirken, wie die Rücknahme eines schamlosen Gesetzes in Rumänien beweist. Oder der Sturz der Machthaber in der DDR. Wie empfindlich die Regierenden auf öffentlich geäußerten Protest reagieren, ist ein Gradmesser für ihr Demokratieverständnis.

Es ist gut, dass es Spielregeln für Demonstrationszüge gibt, es ist wichtig, dass Demonstrationen nicht in Gewalt ausarten und solche ist entschieden zu verurteilen, aber jede Maßnahme, die die Demonstrationsfreiheit einschränkt oder beschneidet, ist ein Angriff auf das demokratische Gefüge und erfordert einen Aufschrei der Zivilgesellschaft, um solches zu verhindern.

In diesem Sinn kann es meiner Meinung nach ruhig ein paar vermeintlich unnötige Spaßdemos geben, die den Verkehr behindern. Das nehme ich gerne in Kauf, wenn das elementare Grundrecht der Demonstrationsfreiheit erhalten bleibt.