Drohbotschaft und Frohbotschaft

Bei den Evangelischen gibt es ja keine Beichte! Ein Irrtum – betont der evangelische Pfarrer Roland Werneck. Nur die klassischen katholischen Beichtstühle – die gibt es tatsächlich nicht.

Morgengedanken 27.4.2017 zum Nachhören:

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Vor kurzem hat mich eine Kollegin aus der Schule angesprochen. Sie hat gemeint, die Evangelischen hätten es ja besonders schwer, weil es bei ihnen keine Beichte gibt.

Roland Werneck
ist evangelisch-lutherischer Pfarrer in Wels in Oberösterreich

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An dieser Beobachtung ist richtig, dass in den Kirchen der Reformation keine Beichtstühle für die so genannte Ohrenbeichte zu finden sind. Aber die Beichte im Sinn der Bitte um Vergebung und die Möglichkeit eines Neuanfangs hat die Reformation nicht abgeschafft – Gott sei Dank! Ganz im Gegenteil: Martin Luther hat vor 500 Jahren gerade besonders betont, dass Gott ein gnädiger und barmherziger Gott ist, der sich den Menschen zuwendet, um ihnen ein gutes Leben in Freiheit zu ermöglichen. Luther hat das Evangelium als eine Frohbotschaft wieder entdeckt.

Beichte – das heißt in diesem Sinn: Die Bitte um Vergebung, um Entlastung, macht dich frei für einen neuen Blick auf dich selbst und deine Umgebung. Du kannst aus dem, was dich gefangen nimmt, herauskommen, weil Gott dir einen neuen Anfang schenkt. Du musst das, was dich belastet, nicht für den Rest deines Lebens herumschleppen. Du wirst neue Kräfte in dir entdecken und kannst sie sinnvoll einsetzen, so dass auch andere etwas davon haben. Dieses Verständnis von Beichte hat etwas Befreiendes: das Evangelium nicht als Drohbotschaft sondern als Frohbotschaft!