Bibelessay zu Johannes 21, 1 – 14

Sieben Fischer am See von Tiberias: Ihr Leben hat kürzlich erst eine dramatische Wendung genommen. Jünger Jesu waren sie; für ihn hatten sie einst ihr Fischerzeug liegen und stehen lassen; doch ihr Lehrer, Guru und Meister ist nun tot, hingerichtet auf die schändlichste Weise.

Alles, worauf sie für ihr Leben gehofft und gesetzt, wovon sie sich eine neue und bessere Zukunft versprochen hatten – das ist alles vernichtet, wie eine Spekulationsblase zerplatzt. Nun gehen sie wieder fischen. Ohne große Begeisterung vermutlich. Aber was sonst sollten sie denn tun? Der erhoffte Auf- und Ausbruch aus dem früheren Leben hat sich als Holzweg erwiesen. – Also wieder zurück an den Start! Dort weitermachen, wo man unterbrochen hat! Möglichst gut und rasch wieder zurückfinden zur gewohnten Tagesordnung! Irgendwie wird es weitergehen und die Zeit die geschlagenen Wunden schon heilen.

Markus Schlagnitweit
ist katholischer Theologe und Sozialwissenschaftler

Der Rückweg ist versperrt

Ich kann mir gut vorstellen, dass solche oder ähnliche Sätze zwischen den Fischern fielen, um mit ihrer Ratlosigkeit, ihrer Trauer und Enttäuschung halt irgendwie fertig zu werden. Solche Sätze fallen heute immer noch: Man kann sie hören bei Begräbnissen oder aus dem Mund von Menschen, die beruflich oder in privaten Beziehungen gescheitert sind oder sonst eine große Hoffnung begraben müssen. Man versucht, rasch zu vergessen und nach dem Straucheln schnell wieder Tritt zu fassen; man sucht erneut Halt – am besten in dem, was man schon kann, was man kennt, was vertraut ist. Im biblischen Fall: in der Rückkehr zu den Netzen.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 30.4.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Aber das funktioniert nicht mehr; der Rückweg ist versperrt: Die Fischer fangen nichts mehr. – Bis dann dieser Unbekannte am Ufer ihnen sagt, dass sie falsch auswarfen und es anders versuchen müssen. Früher hätten sie solch einen Rat wohl einfach ignoriert. Sie waren immerhin die Experten in ihrem Metier. Niemand konnte ihnen ein X für ein U vormachen. Aber jetzt sind sie am Ende mit ihrem Latein. Nichts geht mehr so wie früher. Kein Weiterkommen mehr auf bekannten, ausgetretenen Pfaden. – Und das ist gut so!

Einen Neuanfang für möglich halten

Erst die Einsicht, dass es nicht einfach so weitergeht wie zuvor, scheint den Blick frei zu machen für neue Perspektiven und Wege. Erst der Verzicht auf die vertrauten Denk-, Entscheidungs- und Handlungsmuster öffnet für die Bereitschaft, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen, mit Wegen, die weiterführen und neues Leben ermöglichen.

Genau das könnte Leben aus dem Osterglauben bedeuten: Die Netze auf der anderen Seite auswerfen. Also die offensichtlich gewordenen Irr- und Holzwege verlassen, auch wenn sie noch so vertraut und lieb waren. Sich auf Alternativen einlassen: unverdrossen und sogar wider alle Hoffnung. Einen echten Neuanfang für möglich halten!

Wie sehr hätte das unsere Welt nötig: in der Wirtschaft, in der Sozial-, Bildungs-, Energie- Umwelt-, Demokratie- und Friedenspolitik – und vermutlich auch im persönlichen Leben!