Erste Bindung ans Du

Bereits vor unserer Geburt hören wir. Klänge, Geräusche, Stimmen – die Welt um uns begegnet uns zu allererst im Klang. Zum Hören kommt der Tastsinn, der Geruch, das Empfinden, nach der Geburt das Sehen.

Gedanken für den Tag 5.5.2017 zum Nachhören:

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Wenn wir geboren werden, dringen neue klangliche Schwingungen zu uns. Nach und nach unterscheiden wir Vertrautes und Neues, lernen buchstäblich die Welt mehr und mehr erkennen. Wir lernen zu unterscheiden.

„Stille Frau mit weißen Scheiteln“

Vertrautheit erleben wir vor allem beim Klang der Stimme unserer Mutter. Wir hörten sie zu allererst, noch in ihrem Leib. Meine eigene Mutter hatte eine warme, tiefe, wohltönende Stimme. Selbst wenn sie uns ermahnen musste, war immer eine liebevolle Zuneigung in ihrem Ton. Eine Art von ewigem Lächeln.

Daniel Landau
ist Lehrer und Dirigent

Dieser Tage, vor 18 Jahren, starb sie. Viel zu jung. Bis heute vermisse ich ihre Stimme. Bald nach ihrem Tod hatte ich schmerzlich festgestellt, es gab von ihrer Stimme, diesem für mich so besonderen, ja einzigartigen Klang, keine einzige Tonaufnahme. Ich hätte sie gerne weiter gehört.

Aber in Wahrheit höre ich sie immer noch. Sie ist in meinem Herzen und in meinem Kopf. Andere hören sie vielleicht nicht, denn physisch schwingt da ja nichts mehr. Aber ihre Stimme, sie ist da. In all ihrer Schönheit und Wärme. In all ihrer Liebe.

…oder, um es mit Rainer Maria Rilke zu sagen: Ich sehne oft nach einer Mutter mich, nach einer stillen Frau mit weißen Scheiteln. In ihrer Liebe blühte erst mein Ich.

Musik:

Solveig Funseth/Klavier: „D’un vieux jardin“ - für Klavier von Lili Boulanger
Label: Swedish Society Discofil SCD 1043