Eine Spiritualität des Genug

„Woran merke ich, dass genug genug ist?“, fragte mich jüngst eine Studentin, die über einen dritten Auslandsaufenthalt nachdachte. Sie ahnte, dass ein weiteres Auslandssemester sie überfordern würde, doch ihre Einsicht in die Tat umzusetzen fiel ihr unglaublich schwer. - Kein Wunder in einer Gesellschaft, deren Motto lautet: „Ich soll immer besser werden, denn die Möglichkeiten sind da!“

Gedanken für den Tag 20.5.2017 zum Nachhören:

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Um der pausenlosen Selbstoptimierung Grenzen setzen zu können, braucht es die Kunst des Aufhörens. Braucht es eine Spiritualität des Genug. Dafür lohnt sich ein Blick in die biblische Schöpfungsgeschichte, denn hier ereignet sich Pause in höchster Instanz.

Melanie Wolfers
ist katholische Theologin, Autorin und Ordensfrau. Ihr jüngstes Buch „Freunde fürs Leben“ ist im adeo-Verlag erschienen.

Freiheitsimpuls

Die Bibel erzählt, dass Gott den Kosmos in sechs Tagen ins Dasein ruft. Und dann heißt es: Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk. Er ruhte an diesem Tag. Er segnete ihn und erklärte ihn für heilig (vgl. Genesis 2,2f.). Erst durch den Ruhetag des Sabbats kommt die Schöpfung zur Vollendung. Das zeigt: Nicht allein das Schaffen, sondern ebenso das Ruhen ist heilig. Und wenn der Text vom Menschen als „Abbild Gottes“ spricht, deutet er an: Sowohl wenn Menschen etwas hervorbringen als auch wenn sie ruhen, geben sie dem Göttlichen Raum.

Die biblische Weisung „Halte den Sabbat heilig!“ fordert auf: „Sei so frei: Unterbrich den Alltag! Widersetz dich der Versuchung, die Arbeit absolut zu setzen! Gönne dir und anderen unverzweckte Räume, in denen du einfach sein kannst!“ Das Sabbatgebot verteidigt unsere Freiheit gegen die Diktatur einer Leistungsgesellschaft. Doch seine entscheidende Aussage liegt nicht in diesem Appell, sondern in dessen spiritueller Begründung: „Erinnere dich daran: Du hast einen Lebenswert, den du dir nicht verdienen musst. Deine Würde hängt weder am Nettogehalt noch daran, was du leistest. Vielmehr kannst du darauf vertrauen: Du bist unendlich wertvoll! Geborgen in göttlichem Licht.“

Ein solcher Glaube ist ein Freiheitsimpuls erster Güte!

Musik:

Glenn Miller Orchestra unter der Leitung von Wil Salden: „Jersey bounce“ von Bobby Plater, Tiny Bradshaw, Robert B. Wright und Edward Johnson
Label: Universal/Koch 2727950