Schweres wird leicht

An allem, so scheint es, nagt der Zahn der Zeit. Auch Gebete nutzen sich ab – oder scheinen nicht mehr zeitgemäß zu sein. Martin Luthers „Morgensegen“ ist tatsächlich bereits fast 500 Jahre alt. Manche Gedanken darin sind für aufgeklärte Menschen sehr fremd.

Morgengedanken 23.5.2017 zum Nachhören:

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Er gehört zu den Texten, die ich seit Kindertagen auswendig kann. Luthers Morgensegen. Im kleinen Katechismus lese ich: „Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“

Luise Müller
ist evangelische Theologin und ehemalige Superintendentin der Diözese Salzburg-Tirol

Alles in deine Hände

Manche der Gedanken, die Martin Luther in diesem Gebet äußert sind mir sehr fremd. Mit dem magischen Denken vom bösen Feind zum Beispiel kann ich mich gar nicht anfreunden. Mein Weltbild ist 500 Jahre später ein anderes. Aber seltsamerweise tut es mir gut, zumindest den Gedanken zuzulassen mich komplett Gott anzuvertrauen. Luther formuliert: „Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände.“

Das entlastet mich, obwohl ich mich durchaus für emanzipiert halte und sonst eigentlich nicht so schnell die Verantwortung abgeben möchte. Aber manchmal ist es nötig, von mir und meinen Befindlichkeiten abzusehen, um Spielräume zu schaffen, für das, was der Tag bringen kann. Zuzulassen, dass Schweres leicht wird.