Vernunft und Glaube

Welcher vernünftige Mensch kann heute noch an Gott glauben, und dann auch noch an den Islam? Wo der Islam doch für Terror und Frauenunterdrückung steht? Derartige Kommentare hört man immer wieder.

Gedanken für den Tag 26.5.2017 zum Nachhören:

Aber gibt es wirklich nur diese beiden Möglichkeiten, die sich ausschließen: Entweder du glaubst an Gott, oder du nutzt deinen Verstand? Kann es sein, dass der Mensch nur deshalb glaubt, weil er zu wenig weiß? Und glauben nur diejenigen, die nicht genügend aufgeklärt oder vernünftig sind?

Im Islam stehen, ebenso wie im Judentum und Christentum, die Vernunft und somit auch die Verantwortung des einzelnen Menschen für sein Handeln nicht im Widerspruch zum Glauben.

Kampf zwischen Religion und Philosophie

Die vielbeschworene Aufklärung, die dem Islam nach Meinung vieler Kritiker fehlt, die ihm angeblich gar fremd sei, ist im Islam tatsächlich aber durchaus verankert, auch wenn es gegenwärtig vielfach so aussieht, als sei Rationalität für Muslime ein Fremdwort.

Ibn Rushd (1126 – 1198) Arzt und Philosoph, lebte und wirkte in Cordoba über viele Jahre seines Lebens. Er gilt als einer der wichtigsten Aufklärer im Islam, der Aristoteles so viel interpretiert und kommentiert hat, wie kein anderer. In seinem Werk „Maßgebliche Abhandlungen“ legt er dar, wie wichtig das Zusammenspiel von Philosophie und Religion ist.

In der Frühzeit des Islam gab es neben Ibn Rushd noch viele andere, die sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Vernunft beschäftigten, wie z.B. Ibn Sina, Ibn Bajja, Ibn Khaldun, um nur wenige zu nennen. Die Vernunft ist im Islam ein Geschenk Gottes, welches wir nutzen sollen. Sehr schön beschrieben in „Kritik der arabischen Vernunft“ von Mohammed Abed Al-Jabri.

Nur, im ewigen Kampf zwischen Religion und Philosophie hat letztlich im christlichen Europa die Philosophie gesiegt, während im Islam die religiöse Inquisition es geschafft hat, die Philosophie erfolgreich zu unterdrücken. Bisher!

Buchhinweis:

Seyran Ates, „Selam, Frau Imamin“, Verlag Ullstein

Musik:

Alfred Brendel/Klavier: „Des Abends“ aus: FANTASIESTÜCKE FÜR KLAVIER, op. 12 von Robert Schumann
Label: Philips 4110492