Versteckte Klöster

Schon im Jahr 301 – und damit früher als irgendwo sonst – wurde das Christentum in Armenien zur Staatsreligion. Zeugen dieser alten christlichen Kultur sind die vielen Klöster, die den Charakter des Landes sehr wesentlich prägen.

Gedanken für den Tag 31.5.2017 zum Nachhören:

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Jahrhundertlang waren sie nicht nur religiöse Zentren, sondern ebenso die intellektuellen, künstlerischen und oft auch die politischen Schaltstellen des Landes.

„Perfektion ist immer schlicht“

Die ständige Bedrohung, der das kleine Land am Schnittpunkt verschiedenster machtstrategischer Interessen seit jeher ausgesetzt war, führte dazu, dass viele der Klöster gut versteckt an schwer zugänglichen Orten errichtet wurden. Eine der spektakulärsten Anlagen ist das rund 30 Kilometer von der armenischen Hauptstadt Jerewan entfernte Kloster Geghard. Gegründet im vierten Jahrhundert wurde es im Laufe der Zeit mit zahlreichen Zubauten in die wuchtigen Felsformationen und die tiefen Höhlen eines engen Flusstales eingefügt. Es ist eine Meisterleistung früher Baukunst: eine höchst diffizile – und doch so simpel wirkende Konstruktion.

Barbara Denscher
ist Kulturwissenschaftlerin und Publizistin. Ihr Buch „Im Schatten des Ararat. Reportage Armenien“ ist im Picus-Verlag erschienen.

Prunk und Pracht wird man in keinem der – größtenteils aus dem frühen Mittelalter stammenden – Klöster finden. Glanz verleihen den weitgehend schmucklosen Innenräumen der Kirchen die zahllosen dünnen, hohen Kerzen, die aus wassergefüllten Sandbecken ragen und die auf den wuchtigen Steinwänden faszinierende Reflexionen hervorrufen.

Es ist eine Schlichtheit, die zutiefst beeindruckt. Der russische Schriftsteller Vasily Grossman vermerkte dazu in seinen – leider nicht auf Deutsch vorliegenden – Reiseimpressionen „Dobro vam“, dass die alten armenischen Kirchen und Klöster, aus einiger Entfernung betrachtet, in ihrer Einfachheit so wirken, als ob sie ein Kind aus Spielzeug-Basaltsteinen zusammengesetzt hätte. Und gerade deshalb seien sie ein Ausdruck vollkommener Perfektion. Denn, so Grossman, „Perfektion ist immer schlicht. Perfektion ist das tiefste Verständnis und der umfassendste Ausdruck für das Essentielle. Perfektion ist immer demokratisch, stets allgemein fassbar und verständlich.“

Musik:

Djivan Gasparyan & Ensemble: „Armenian Romances: Housher (Memories)"
Label: Network Medien GmbH LC6759