Fest der Übersetzer

Einer der wichtigsten Termine im armenischen Feiertagskalender ist „Targmantschaz ton“, das „Fest der Übersetzer“, das am zweiten Samstag im Oktober gefeiert wird.

Gedanken für den Tag 1.6.2017 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Bei den Übersetzern, derer dabei gedacht wird, handelt es sich um Gelehrte aus der Zeit zwischen dem 5. und 12. Jahrhundert, die mit ihren Werken religiöse, philosophische und wissenschaftliche Inhalte in die armenische Kultur eingebracht haben. So etwa zahlreiche Texte aus der griechischen Antike, von denen manche nur in diesen armenischen Übersetzungen erhalten geblieben sind.

Interesse für Sprachen und Kultur

Die in Armenien berühmteste und wohl auch am meisten verehrte Persönlichkeit aus dem Kreis dieser Übersetzer ist Mesrop Maschtotz, jener Mönch, der um das Jahr 400 das armenische Alphabet schuf. Er entwarf 36 Schriftzeichen, die er so gut dem Lautbild der armenischen Sprache anpasste, dass sie bis heute verwendet werden. Dieses Alphabet bildete die Basis für die von Maschtotz in der Folge initiierte – und im Jahr 435 fertiggestellte – erste Übersetzung der Bibel ins Armenische.

Barbara Denscher
ist Kulturwissenschaftlerin und Publizistin. Ihr Buch „Im Schatten des Ararat. Reportage Armenien“ ist im Picus-Verlag erschienen.

Begraben ist Mesrop Maschtotz in dem – rund 20 Kilometer von der Hauptstadt Jerewan entfernten – Dorf Oschakan. Zum „Fest der Übersetzer“ pilgern stets tausende von Menschen nach Oschakan. Neben dem Festgottesdienst gehört zu den Feierlichkeiten alljährlich auch die Vergabe eines Preises für aktuelle Übersetzungen aus dem Armenischen und ins Armenische. „Man will Armenien in die Welt bringen, aber auch die Welt nach Armenien“, so lautet das Motto.

Dieses so ganz eigene Fest macht nachdenklich. Welchen Stellenwert haben Übersetzerinnen und Übersetzer eigentlich bei uns, fragt man sich. Achten wir die Leistungen des kulturellen Transfers tatsächlich genügend? Wir erwarten, dass die Menschen, die zu uns kommen, um zu bleiben, auch unsere Sprache lernen. Aber wie viel Interesse entwickeln wir für deren Sprachen und Kultur?

Mehr Interesse könnte für uns alle bereichernd sein. Und: vielleicht sollten auch wir einmal ein Fest für die Übersetzerinnen und Übersetzer feiern.

Musik:

Djivan Gasparyan & Ensemble: „Kamantcha Blues: Mugham Chargia / Toghir heratsa"
Label: Network Medien GmbH LC6759