Letzte Worte

Ständig blicken wir zurück, oder nach vorne und vergessen dabei, dass unser Leben genau dazwischen liegt. Jetzt. Heute. In diesem Augenblick. Genau diese Augenblicke, ich will sie erleben und spüren.

Gedanken für den Tag 9.6.2017 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Oder, wie es in einem Text von Jorge Luis Borges heißt: „Wenn ich noch einmal anfangen könnte“, schreibt er da, „würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben. Falls du es noch nicht weißt – aus diesen besteht nämlich das Leben. Nur aus Augenblicken. Ich würde nicht so perfekt sein wollen. Ich würde mich mehr entspannen. Ich wäre ein bisschen verrückter und würde weniger Dinge so ernst nehmen. Ich würde nicht so gesund leben und ich würde mehr riskieren. Ich würde versuchen, mehr Fehler zu machen!“

Barbara Stöckl
ist Fernseh- und Radiomoderatorin

„Es ist gut!“

Ich gehe gerne auf Friedhöfen spazieren. Wenn die Hitze über der Stadt liegt, ist es hier schattig und immer ruhig. Solche Spaziergänge sind auch Ermahnungen an mich selbst, wie schön und wie kurz das Leben ist. Ich lese auch gerne Traueranzeigen. Auf ein paar Quadratzentimetern erfährt man etwas über das Leben von Menschen. Meist beginnen diese Anzeigen mit Sätzen wie „In tiefer Trauer...“, oder „Mit großem Schmerz...“.

Doch diese Anzeige ist mir gleich ins Auge gesprungen. Denn sie ist anders. Ein Farbfoto zeigt eine strahlende Frau mit bunter Bluse. Eine modische Brille, pinkfarbene Ohrringe, die Haut ist sonnengebräunt. Vielleicht wurde es ja im Urlaub aufgenommen? In der Hand ein Glas Wein, mit dem sie dem Betrachter zuprostet. Und sie lacht. Wie alt sie sein mag? Ich kann es schwer schätzen, vielleicht 60, vielleicht auch 80 Jahre. Über dem Foto dann diese Zeile: „Es ist gut! Mein Leben war schön!“ Sonst nichts. Ob sie wohl selbst diese Traueranzeige ausgesucht hat?

Am unteren Rand wird dann der Pulmologie des LKH West der Barmherzigen Brüder gedankt, daraus kann man wohl schließen, dass es kein Ende ohne Leiden war. „Erinnerung ist eine Form der Begegnung, Vergessen eine Form der Freiheit!“, schreiben schließlich ihre Kinder im Namen aller Verwandten. Das Bild berührt mich, erzählt mir so viel von einer mir gänzlich unbekannten Frau. Es ist gut! Mein Leben war schön! Wie schön, wenn dieser Satz am Ende des Lebens steht!

Musik:

Yann Tiersen/div.Instrumente, Christian Quermalet/Schlagzeug und Ensemble Orchestral Synaxis: „Les jours tristes“ von Yann Tiersen und Neil Hannon
Label: Ici d’ailleurs/Labels/Virgin 3810982