Bibelessay zu Johannes 3, 16 – 18

Dreifaltigkeitssonntag – ein Fest, das einem theologisch hochkomplexen Konzept vom Wesen Gottes gilt.

Ich vermute: Mit der Glaubenslehre vom dreieinigen Wesen Gottes wird kaum jemand richtig warm. Nicht nur dass eins und drei nicht recht zusammengehen in mathematisch und logisch geschulten Köpfen; es stellt sich auch die Frage: „Na und? Was ist aus dem Denksport über Gottes Wesen zu gewinnen für die konkrete Lebenspraxis?“

Markus Schlagnitweit
ist katholischer Theologe, Priester und Hochschul-, Akademiker- und Künstlerseelsorger der Diözese Linz

In vielfältigen Bildern

Das Thema scheint zunächst jedenfalls mehr den Kopf als das Herz anzugehen. Aber soll der Kopf etwa ausgespart bleiben aus Glaubensangelegenheiten? – Nun, obzwar Glauben mehr ist als das spekulative Nachvollziehen irgendeiner Weltanschauung, Philosophie oder religiösen Lehre, so steht ein Glaube ohne Kopf ebenso in Gefahr, sich zu verlieren – dann eben in Gefühlsduselei, Fanatismus oder dgl. – Dreieinigkeitslehre und -fest laden also zurecht auch einmal ein zu „religiöser Kopfarbeit“.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 11.6.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Vorsicht allerdings vor einem Missverständnis! Die Fragen „Wie ist Gott in sich? Wie ist sein Wesen zu denken? ...“ – das sind typische Fragen abendländischer Philosophie, aber nicht der Bibel. Die Bibel fragt nicht: „Wie ist Gott?“; sie fragt vielmehr: „Wie handelt Gott – an Menschheit und Welt?“ – Und weil die biblischen Schriftsteller spüren, dass kein Begriff imstande ist, dieses Handeln Gottes angemessen und hinreichend zu benennen, deshalb sprechen sie in vielfältigen Bildern von Gott. Sie sprechen also etwa von Gott als Vater: Ursprung und Erhalter alles Geschaffenen, Herr über Sein und Geschichte – immer unter dem Vorzeichen ewiger Liebe und Bundestreue. – Und sie sprechen vom selben Gott als Sohn: Mensch geworden in Jesus Christus und zugleich der Prototyp des Menschseins, wie Gott es von Anfang an wollte: heilend, vergebend, leidenschaftlich liebend bis zuletzt und in Bevorzugung der Armen und Ausgegrenzten dieser Welt.

Ein Du mit menschlichem Antlitz

Und weil die biblischen Schriftsteller Gottes Handeln auch kennen als alle Grenzen von Sprache und Volkszugehörigkeit sprengend, auch alle Grenzen von Zeit und Gesetz, weil Gottes Handeln erfahren wird als unbändig wirkend, wo Er will, deshalb spricht die Bibel von Gott auch als Heiligem Geist. – Der biblischen Bilder und Redeweisen über Gott sind damit noch lange nicht genug; da gibt es weitere: Mutter und Hirte etwa, Weinstock und Weizenkorn, Feuer und Wasser. – Aber keiner dieser Begriffe, keines dieser Bilder kann in Anspruch nehmen, Gottes Wesen und Handeln je zu erfassen. Sie alle sind wahr, aber niemals ausreichend.

Gerade am Dreifaltigkeitsfest möchte ich deshalb daran erinnern, dass das Reden über Gott weniger wichtig ist als das Reden zu und mit Ihm, das Bescheidwissen über Gott also weniger wichtig als die lebendige Beziehung und Kommunikation mit Ihm. Und man sollte sich dabei auch nicht von der Frage ablenken lassen, wie Gott denn korrekt anzusprechen sei: Einzahl? Mehrzahl? Vater? Sohn? Heiliger Geist? – Die einfachste und stimmigste Gottesanrede ist wohl immer noch: DU. – Dieses Du trägt ein menschliches Antlitz; und es ist stets gegenwärtig: in jenem Menschen, dem ich gerade begegne.