Zum 110. Geburtstag von Frida Kahlo

Eine nackte in ein orthopädisches Stützkorsett gezwängte Frau blickt selbstbewusst aus dem Bild. Tränen rinnen ihr die Wangen herunter, die Haut ist mit verletzenden Nägeln gespickt. In der Mitte ist der Körper aufgerissen: eine mehrfach gebrochene ionische Säule kommt zum Vorschein.

Gedanken für den Tag 3.7.2017 zum Nachhören:

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Frida Kahlos 1944 entstandenes Bild „Die gebrochene Säule“ spiegelt die jahrelangen körperlichen Qualen der mexikanischen Künstlerin, die als 18-Jährige bei einem Busunglück beinahe ums Leben gekommen wäre. „Meine Malerei trägt die Botschaft des Schmerzes in sich“, sagte Kahlo einmal. In Folge der schweren Unterleibsverletzungen und zahllosen Brüche musste die charismatische Malerin über 30 Mal operiert werden, beengende Korsetts tragen und Wirbelsäulenstreckungen über sich ergehen lassen. Ganz abgesehen davon, dass ihr der Kinderwunsch aufgrund der Unfallfolgen zeitlebens verwehrt blieb.

Johanna Schwanberg
ist Direktorin des Dom Museum Wien

Es lebe das Leben

Der tragische Unfall und die ungewollte Kinderlosigkeit trugen zur Mythenbildung bei: naiv, persönlich und autobiografisch sei ihre Kunst, hieß es lange. Bilder wie „Die gebrochene Säule“ sprechen aber für die ungemeine Bildung von Frida Kahlo. Sie zeigen, dass Kahlo die Kunstgeschichte gut gekannt - und aus weiblicher Sicht bewusst neu akzentuiert hat. So erinnert das Bild an die Christus-Darstellungen als Schmerzensmann, auch an die Bilder des an eine Säule gebundenen und mit Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian.

Frida Kahlos Bilder gehen nahe, weil hier körperliche und seelische Schmerzen zu einer unverkennbaren und rätselhaften Bildsprache geführt haben. Die Bilder berühren aber auch, weil aus ihnen trotz des dargestellten Schmerzes eine ungebrochene Lebensfreude spricht – weil sie zeigen, dass künstlerischer Ausdruck ein Mittel sein kann, leidvollen Erfahrungen kreativ zu trotzen. „Viva la Vida“, „Es lebe das Leben“, so der Titel eines ihrer letzten Gemälde.

Musik:

Filmorchester unter der Leitung von Stephen Mercurio: „The floating bed“ aus: FRIDA / Original Filmmusik von Elliot Goldenthal
Label: DG/Universal Classics 4741502