Bibelessay zu Matthäus 13, 1 – 11. 18 – 23

So eingängig dieses bildhafte Gleichnis beim ersten Hören erscheint, so sehr irritiert es bei genauerer Betrachtung: Wo geschieht es denn in der landwirtschaftlichen Realität, dass Saatkörner einfach irgendwohin geschmissen werden?

Kein vernünftiger Bauer wirft gutes Saatgut auf Wege, Felsen oder in die Dornen und wartet dann ab, was daraus wohl werden mag. Nein, ein guter Landwirt geht planmäßiger vor und überlegt sich schon vor der Aussaat bestimmte Fragen: nach der Qualität des Saatgutes etwa, nach der richtigen Aufbereitung des Ackerbodens, nach der besten Düngung und Fruchtfolge – Fragen also, die viel mehr die umfassende Verantwortung des Bauern ins Spiel bringen als das biblische Gleichnis, das die ganze Verantwortung letztlich dem Boden zuzuschieben scheint, also im biblischen Bild: den Adressaten des Gotteswortes.

Markus Schlagnitweit
ist katholischer Theologe und Sozialwissenschaftler

Bestes Saatgut

Wenn aber das biblische Gleichnis die Rolle der bäuerlichen Arbeit für den Erfolg der Aussaat so sehr außer Acht lässt, entlässt es dann nicht auch jene vorschnell aus ihrer Verantwortung, die mit der Weitergabe des Gotteswortes betraut sind? Können die sich im Sinne des biblischen Gleichnisses denn so einfach zurücklehnen und sagen: Das Saatgut stimmt doch wohl. Dass das Gotteswort bei vielen Menschen heute so wenig Gehör und Aufnahme findet, muss demnach an diesen selbst liegen: an ihrem unverbesserlichen Egoismus, an ihrem schnöden Materialismus, an ihrer Gottvergessenheit und am allgegenwärtigen Relativismus – um nur ein paar typische Schuldzuweisungen kirchlicher Gegenwartsklage zu zitieren. Schuld am Misserfolg bei der Verkündigung des Gotteswortes wären also immer die anderen!

Erfüllte Zeit
Sonntag, 16.7.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Kein Zweifel: Das Wort vom Gottesreich ist bestes Saatgut und als solches unübertrefflich. Aber ob wohl immer richtig, kompetent und gut damit umgegangen wird? – Mit wie viel leerer Spreu wird es doch oft vermengt: mit kirchlichen Traditionen und Geboten etwa, die nicht mehr viel mit der Reich-Gottes-Botschaft am Hut haben, oder einfach mit betulich-frommen Floskeln und Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat!

Verantwortung für den Boden

Oder mit Blick auf den Boden, den zu beackern es gilt: Über Jahrhunderte hinweg glich meine machtpolitisch verstrickte Kirche eher einer überdimensionierten agroindustriellen Maschine als einem pfleglichen Ackergerät zur Aufbereitung des Bodens. Darf es da verwundern, wenn dieser Boden irgendwann verhärtet, zumacht und nichts mehr hergibt? Vielfach wurde der zu bebauende Boden im Bewusstsein eigener Macht und religiöser Monopolstellung auch einfach ausgebeutet ohne entsprechende Zuwendung und Gegenleistung. Und dabei bestünde die kirchliche Kernaufgabe doch nicht nur im Aussäen und allenfalls Ernten, sondern noch weitaus mehr im Auflockern des Bodens und in der Zufuhr von Nährstoffen – also im liebenden, Leben fördernden Umgang mit dem Boden – mit den Menschen also, in die das Evangelium fallen und einwurzeln soll!

Wenn das biblische Bild von Saat und Boden also Orientierung schenken soll, dann sollten die Verkünder des Gotteswortes sich nie nur als Säleute verstehen, sondern eher als komplette Bauern. Diese kümmert nie nur Aussaat und Ernte; sie tragen vielmehr auch Verantwortung für den Boden, den sie bestellen. Denn eine gute Ernte hängt zwar nie allein, aber immer auch an der Qualität der bäuerlichen Arbeit.