Bibelessay zu Matthäus 11, 25 - 30

Die Konflikte rund um Jesus spitzen sich zu, der Widerstand gegen Jesus wächst. Johannes der Täufer ist bereits im Gefängnis und wird ermordet werden. Jesu Reden werden warnend, er macht den Städten Vorwürfe, in denen er die meisten Wunder gewirkt hat. Sie hören seine Botschaft nicht.

Da setzt der heutige Text aus dem Matthäusevangelium an, er beginnt mit einem Lobpreis auf Gott. Die Anrede Gottes als „Vater, Herr des Himmels und der Erde“ ist jüdisch und christlich. Vater und Schöpfer sind zentrale Gottesaussagen, und diese meinen nicht die – manchmal verzerrten – menschlichen Erfahrungen von Vater, sondern sie knüpfen an die Bilder von Halt und Orientierung, von einem Ja zum Leben an.

Helga Kohler-Spiegel
ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, FB Human- und Bildungswissenschaften, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und (Lehr-)Supervisorin

Eine Liebeserklärung

Der Lobpreis Jesu spricht eine Erfahrung an, die zentral ist für die Botschaft Jesu: Die am Leben gehinderten Menschen und die Menschen am Rande von Gesellschaft und Religion, sie verstehen die Botschaft Gottes, die Botschaft Jesu. Inmitten einer Atmosphäre von Ablehnung formuliert Jesus erneut: Die Frohe Botschaft gilt zuerst denen, für die sich niemand interessiert. Gott wendet sich genau diesen Menschen zu, Gott ist da und begleitet – nicht auf der Seite der politischen und religiösen Machthabenden, sondern auf der Seite der sogenannten „einfachen Leute“.

Und dann: Es ist fast eine Liebeserklärung. Jesus versucht, seine Beziehung zum Vater, zu Gott selbst, in Worte zu fassen. Intime Nähe, einander kennen, miteinander verbunden sein. Der Sohn und der Vater – ein schwieriges Bild für viele Menschen. Ich weiß nicht, was Sie assoziieren, wenn Sie „der Sohn und der Vater“ hören. Ich gehe davon aus, dass auch vor 2000 Jahren diese Beziehungen nicht immer einfach waren. Hier aber wollen sie eine Tür öffnen: Jesus und Gott sind so innig miteinander verbunden, sie sind eins. Wer Jesus kennt, kennt Gott selbst. Wer Jesus sieht, sieht Gott. Und die Botschaft Jesu klingt einfach: Kommt alle zu mir, die ihr euch abmüht und belastet seid, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Stefan Bönnert nennt diese Verse „eine Einladung zum Vertrauen“.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 9.7.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Lehrer der Weisheit

Immer wieder erleben Menschen Religion und religiöse Vorschriften als einschränkend, niederdrückend und belastend. Das Bild vom Joch und der Last wurde zur Zeit Jesu für religiöse Gebote und Vorschriften verwendet. Jesu Botschaft ist anders: Da ist die Rede von „Ruhe finden“ und „Ruhe verschaffen“, von „freundlich“ und „demütig“, von „mild“ und „leicht“. Und: Die Botschaft gilt allen Menschen, ohne Vorleistung, ohne Ausschluss. Ausdrücklich heißt es: „Kommt alle zu mir!“

Es ist eine einprägsame Kurzfassung christlichen Glaubens: Die Botschaft Jesu ist eine Einladung zum Vertrauen, eine Seligpreisung, die den Menschen nicht belasten will. Jesus ist ein Lehrer der Weisheit; das Vokabel, das an dieser Stelle für „Lernen“ verwendet wird, bedeutet im Jüdischen ein Lernen von ganz praktischem Verhalten. Immer wieder betont Matthäus: Die Botschaft Jesu zeigt dem Menschen einen Weg, wie erfülltes und gelungenes Leben möglich ist. Die Einladung steht. Den Weg gehen, die Botschaft leben müssen die Menschen aber selbst.