Im Dorf die Welt

„Drei oder vier Familien in einem Dorf auf dem Land, darauf muss man sich konzentrieren“, schrieb Jane Austen in einem Brief 1814. Tatsächlich hat die Autorin ihre Heimat in Südengland nie verlassen, auch nicht in ihren Romanen.

Gedanken für den Tag 22.7.2017 zum Nachhören:

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Während sie schrieb, tobten die Napoleonischen Kriege. Kaum eine Spur davon in ihren Romanen. Dass sie unpolitisch sei, wurde Jane Austen daher oft vorgeworfen, dabei hatte die Schriftstellerin auf eine feine, ironische Weise begonnen, die traditionellen Geschlechterrollen infrage zu stellen. Das könnte man auch politisch nennen.

Brigitte Schwens-Harrant
ist katholische Theologin, Germanistin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung „Die Furche“

Verbot der Sklaverei

Doch auch die Welt kam in dezenten Hinweisen in den Text. Im Titel des Romans „Mansfield Park“ war für ihre Zeitgenossen unschwer Lord Mansfield zu erkennen, der als Richter durch sein Urteil 1772 zum Verbot der Sklaverei in England beitrug. Dass die unsympathische Tante in dem Buch zudem nach einem berühmten Sklavenhändler benannt war, wusste man wohl auch als Hinweis zu lesen. Als Fanny nach der finanziellen Grundlage des komfortablen Lebens der Familie fragt, die ihr Vermögen von Plantagen bezieht, gibt es als Antwort: Totenstille.

Ein Urteil ist schnell gesprochen

Das Politische beginnt bei Jane Austen aber vor allem im Privaten, beim Handeln des einzelnen, der sich in seliger Selbsttäuschung manchmal vielleicht auch dann für moralisch hält, wenn er es gerade nicht ist. Austen durchschaut mit genauem Blick das Verhalten von Menschen: Ihre Romane erzählen, dass der eigene Blick sehr getrübt sein kann, durch Liebe, durch Eitelkeit. Um zu ihrem Glück zu kommen, haben nicht nur die Figuren in ihrem berühmtesten Roman „Stolz und Vorurteil“ Gelegenheit ihre Vorurteile zu überdenken. Auch die Leserinnen und Leser lernen während der Lektüre ihr Urteil zu revidieren.

Ein Urteil ist schnell gesprochen, selbst wenn es falsch ist, die Folgen sind oft fatal: Auch in diesen Analysen bleiben Jane Austens Romane, obwohl 200 Jahre alt, äußerst aktuell.

Musik:

English Chamber Orchestra unter der Leitung von Benjamin Wallfisch / S: Jean Yves Thibaudet,Caroline Dale: „Darcy’s letter“ aus: PRIDE & PREJUDICE / Original Filmmusik von Dario Marianelli / B: Benjamin Wallfisch / V: Jane Austen
Label: UCJ/Universal 4763088