Warum wir über das Wetter in Niger reden sollten

Reden wir über’s Wetter. Heute wird es heiß. Vom ORF Wettermann Marcus Wadsak wissen wir, dass in den letzten vier Jahren die heißesten Julis gemessen wurden, seit in Österreich die Temperatur gemessen wird, also seit 1767.

Zwischenruf 23.7.2017 zum Nachhören:

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Die Folgen des Klimawandels sind – außer man sitzt im klimatisierten Weißen Haus – nicht mehr zu leugnen. Es kommt aber ganz darauf an, wo man wohnt auf diesem Erdkreis, wie die Folgen des Klimawandels zu spüren sind. Während wir hier in Mitteleuropa mit Staunen das Näherrücken der Hitze bemerken, die wir sonst vom Sommerurlaub am Meer kannten, geht es in anderen Weltgegenden um die nackte Existenz.

Michael Chalupka
ist Direktor der Diakonie Österreich

Zweimal am Tag Maisbrei

Die Länder der Subsahara leiden unter extremer Dürre. Menschen müssen ihre gewohnten Lebensumstände aufgeben und sind auf fremde Hilfe angewiesen. Eine von ihnen ist die 31-jährige Fatihama, genannt Fati. Sie wohnt mit ihrer Familie in der Zeltstadt Gamkallé in Niamey. Früher lebten sie von Viehzucht in Téra, etwa 200 Kilometer nordöstlich von Niamey. Doch die schwere Dürre von 2010 ließ ihr Vieh verenden, und sie flohen wie viele andere nach Niamey. Wenn sie könnte, würde Fati in ihr Dorf zurückkehren. Aber ihr Mann hat in Niamey Arbeit als Wächter gefunden – zwischen 30 und 40 Euro im Monat verdient er.

Fatihama hat sechs Kinder. Ihre Zwillinge Hawa und Adama sind zwei Jahre alt und unterernährt. Der kleine Abduleih ist erst zwei Monate alt. Mit den Lebensmittelverteilungen der Diakonie Katastrophenhilfe kann sie ihren Kindern zweimal am Tag einen Maisbrei kochen. In der Zeltstadt gibt es kein Wasser. Deshalb muss Fatihama viermal am Tag den Weg zur Straße laufen, um ihren Eimer mit Wasser zu füllen. 10 Francs muss sie pro Eimer bezahlen.

Fati und ihre Kinder gehören zu den 120.000 Menschen, die der Hunger und die Dürre in Niger dazu gezwungen haben, ihre Herde und ihr Land aufzugeben. Dazu kommen noch rund 170.000 Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten, die von Boko Haram aus Nigeria oder vor den islamistischen Milizen aus Mali geflüchtet sind. Über 300.000 Flüchtlinge beherbergt zurzeit das ärmste Land der Welt.

Da hilft keine Abschottung

Zum Klimawandel tragen wir alle bei. Während ein US-Amerikaner etwa pro Kopf die doppelte Menge an Treibhausgasen im Jahr emittiert wie ein Österreicher, trägt jeder Bewohner Österreichs im Schnitt 67 Mal so viel zum Treibhauseffekt bei wie ein Bewohner Nigers. Der jährliche Durchschnittsausstoß in Österreich liegt bei 7,36 Tonnen CO2 pro Kopf, der von Fatihama und ihrer Familie bei 0,11 Tonnen pro Kopf.

Reden wir über das Wetter. Ja, wir sollten viel mehr über das Wetter reden. Ja, wir sollten auch mehr über Länder wie den Niger reden, mehr über Menschen wie Fatihama und ihre Kinder – wie wir ihr Leben retten können und unser Leben ändern, damit Fatihama eine Zukunft hat, aber auch unsere Kinder und unsere Enkelkinder. Denn die Folgen des Klimawandels können wir nicht wegzaubern. Da können wir keine Routen schließen. Da hilft keine Abschottung.

Wahlkampf in Österreich

Neben dem heißesten Juli haben wir auch Wahlkampf in Österreich. In Wahlkämpfen wird über die Zukunft diskutiert, möchte man meinen. Es wäre genau der richtige Zeitpunkt darüber zu reden, wie Österreich seine selbstgesteckten Klimaziele erreichen kann, oder wie Österreich seine Selbstverpflichtungen bei der Höhe der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit erreichen kann. Davon ist wenig zu hören. Der Niger war nur einmal kurz Thema: Man hätte den Wunsch, meinte unsere Regierungsspitze, dort Flüchtlingslager zu errichten, in die die Geretteten aus dem Mittelmeer zurück gebracht werden könnten.

Fatihama hat auch einen Wunsch für die Zukunft: „Ein Bett und etwas zum Anziehen für die Kinder – das wünsche ich mir“, sagt sie. Auf dem einzigen Bett aus Brettern und Ästen schläft ihr Mann. Sie selbst schläft mit den sechs Kindern auf einer Matte auf dem Boden.