Bankraub und Espressokanne

Eigentlich war es ein Spiel: Wovor ich warne, wurde ich gefragt. Und was ich empfehlen könnte. Zwei gewichtige Fragen, die auch gewichtig Zeit brauchten, beantwortet zu werden. Ich entschied mich für den Tagestest: also aufstehen und von der Früh an beobachten, was mir nicht gefällt - und schauen, was gut tut.

Zwischenruf 20.8.2017 zum Nachhören:

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Das hat dem Tag übrigens gut getan, meinem Tag, weil ich aufmerksam und neugierig durch die Straßen ging, am Bahnsteig stand, die Treppen stieg, den Kühlschrank öffnete, die Zeitung durchblätterte, die Wolken beobachtete.

Martin Schenk
ist Sozialexperte der Diakonie Österreich

Sag mir, wo du wohnst...

Am Abend war mir klar: Ich warne vor Bankraub. Denn: Es werden „Sitzverhinderungsmaßnahmen“ gesetzt. So heißt das im Behördensprech. Der Bankraub begann in den U-Bahnstationen vor einigen Jahren. Kaum oder gar keine Sitzgelegenheiten mehr. Keine Bank weit und breit - und das „breit“ ist ja das Feine, wenn es ums Sitzen geht. Aber auch in anderen öffentlichen Räumen und auf Plätzen wird die Bank geraubt: auf Einkaufsstraßen, in der Innenstadt, vor Bahnhöfen und auf der Flaniermeile.

Bankraub heißt, dass gratis Sitzen verdächtig ist. Einfach verweilen können, schauen, warten, ohne zu konsumieren, sitzen, ohne zu kaufen. Gratissitzen also. Das ist ein Stück Lebensqualität; und außerdem auch ein Grundrecht für alle, die nicht so schnell sein können: Leute mit Behinderungen oder ältere Menschen. Und natürlich Leute ohne viel Geld, - weil das geht schon gar nicht. Aber da geht’s der falschen Bank an den Kragen: Die eine Bank mit Geld wird gerettet, die andere für Menschen ohne Geld wird abgeschafft.

Zwischenruf
Sonntag, 20.8.2017, 6.55 Uhr, Ö1

An einem schattigen Platz mit Brunnen und ein wenig Grün zu sitzen, kann auch bei dieser Hitze helfen, die wir klimabedingt neuerdings erleben. Denn: In jeder Hitzewelle sterben Menschen, besonders gefährdet sind ältere Personen – und da vor allem Haushalte in Vierteln mit geringem Einkommen. Das wissen wir schon seit der großen Hitzewelle vor einigen Jahren, der in Europa rund 70.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Sag mir, wo du wohnst, und dich sage Dir, wie lange du lebst. Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt. Der nächste kühle Ort mit einer Bank zum Ausruhen hoffentlich auch.

Gratis - aber nicht umsonst

Was ich hingegen wärmsten empfehle ist der Espressokocher. Das ist jenes feine Gerät, das seit Jahrzehnten schnell und einfach duftenden Kaffee macht. Mokkakanne sagt ein Freund dazu, auf Caffetiera hört es in Italien, Steigrohrmaschine nennt es der Techniker. Egal. Ich hab einen Espressokocher mit den klassischen Eckformen, wie sie schon seit seiner Erfindung in den 30er Jahren produziert werden. Die gibt’s für einen ganz allein, oder für zwei Tassen, auch Modelle für mehr und ganz riesige für ganz viele. Unten Wasser rein, ins Sieb Kaffeepulver und dann auf den Herd.

Wenn jemand in die Sozialberatung kommt mit allem was schwer ist und drückt, dann hole ich die Tassen und den Espressokocher. Mit 1,5 Bar Druck sprudelt der Kaffee oben hinaus, gluckst zuerst, zischt und faucht am Schluss. Das bricht das Eis, so redet sich`s einfach besser. Und der Espressokocher tut seines dazu: Während in ihm der Druck steigt, sinkt er bei uns. Und wir sitzen hier zusammen – gratis, aber nicht umsonst.