Pari louis Armenien

„Pari louis“ – so sagt man „guten Morgen“ auf Armenisch. Der Sinn ist etwas anders als bei uns im Deutschen. Es geht ums Licht, man wünscht sich gutes Licht, welches Licht auch immer. Gutes Sonnenlicht, gutes Neon- oder Kerzenlicht oder besser noch das gute Licht in den Augen derer, denen man im Lauf des Tages in die Augen schaut.

Gedanken für den Tag 9.10.2017 zum Nachhören:

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Die Düsternis eines Spätherbstages wird dadurch relativ. „Gutes Licht“ sollte auch Leichtigkeit im Kopf bedeuten, eine Erleuchtung des doch ziemlich finsteren Schädelinneren. Gut beleuchtete Gedanken bewegen sich auch besser, gut beleuchtete Worte klingen dann auch schöner. Mit „pari louis“ wird gute Helligkeit in welcher Art auch immer gewünscht. Wer jemanden mag, nicht nur in der Früh und nicht nur nach der ersten Umarmung in der Morgendämmerung, der sagt auch gern „atchgit louis“ (Licht für deine Augen), sozusagen die Wandlung des freundlichen „Guten Morgen“ in einen liebevollen Wunsch, der alle 24 Stunden des Tages überdauert.

Herbert Maurer
ist Schriftsteller und Übersetzer

In jedem Fall, zu welcher Stunde des Tages auch immer, ist das Licht sowohl innen als auch außen, es scheint in den Kopf hinein und scheint aus dem Kopf heraus, die Lichtquellen sind also vielfältig. Ein lachender Mensch kann genauso hell leuchten wie die Sonne oder das Lagerfeuer der Schafhirten um Mitternacht. Andererseits kann das im Armenischen gewünschte Licht auch reflektiert werden, so, wie das Mitlachen eine Reflexion ist, eine Spiegelung von Leichtigkeit in den Gesichtern oder die Botschaft, dass Starrheit und Starrsinn überwunden werden können. Auch wenn das nicht geht, wegen der „Nacht in unserem Kopf“, wie man im Armenischen zur Traurigkeit sagt, ist das „gute Licht“ wenigsten ein Wunschtraum, der aus der Nacht des Kopfes über die Lippen in den Tag hinein scheint. „Pari louis“.

Musik:

Armenische Philharmonie unter der Leitung von Loris Tjeknavorjan: „Valse d’amour in g-moll“ - Nr. 5 aus der „Ararat Suite“ für Orchester op. 47 von Loris Tjeknavorjan, arrangiert von Melik Mavisakalian
Label: ASV CD DCA 1037