Die Worte quellen aus dem Herzen

Als einen „Glücksfall von wahrhaft historischer Bedeutung“ hat ein Sprachforscher einmal die Übersetzungstätigkeit des Reformators Martin Luther bezeichnet. Wer weiß, ob es ohne die Lutherbibel heute eine gemeinsame deutsche Sprache gäbe – von der Nordsee bis zu den Karawanken?

Morgengedanken 10.10.2017 zum Nachhören:

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Als Mann des Wortes hat Martin Luther nicht nur Zeit seines Lebens das Wort Gottes gepredigt und gelehrt, sondern auch das menschliche Wort mit hoher Kreativität und Vollmacht beherrscht und benutzt. Überhaupt war für Luther die Sprache das Merkmal des Menschen schlechthin. Für das Menschsein des Menschen galt für Luther exklusiv die Sprache. Die Geschichte von der Heilung des Stummen, dem Jesus dazu verholfen hatte, wieder sprechen zu können, war für Luther zentral: „er wurde wieder ein richtiger Mensch“ (Luk 11,14f)

Karl Schiefermair
ist Oberkirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

Sprachfähigkeiten

Die Sprache sei der beste Teil des Menschen, daher auch der Nutzen, vor allem aber auch der Schaden, den sie verursachen kann, entsprechend groß. Ein böses Wort, so meinte Luther, könnte bei Kindern die gute Erziehung von Jahren verderben – und wie Recht er damit hat! Den besten Gebrauch mache der Mensch von seiner Sprache, wenn er Gott lobt und ehrt, da war sich Luther zeit seines Lebens sicher. Er sagte: „Dem Glauben quellen die Worte aus den Herzen wie aus einem Fass der übergärige Most“.

Heute wissen wir, dass mit der Sprachfähigkeit auch andere Fähigkeiten einhergehen: wir können unterschiedliche Ansichten vertreten, Gefühle schildern, ja, kennen sogar eine Möglichkeitsform. Wir können heucheln, Ausreden anführen, lügen, die Wahrheit sprechen, andere zum Lachen bringen. Und Gottseidank ist es heute durch viele technische Errungenschaften möglich, dass auch stumme Menschen an unserer Welt ohne Einschränkung teilnehmen können. Aber davon wusste Luther noch kein Wort zu sagen.