Wer anderen eine Grube gräbt...

Wer kennt sie nicht - das Kamel und das Nadelöhr? Ein Beispiel dafür, dass viele Redensarten eigentlich biblischen Ursprungs sind. Martin Luther, der große Reformator, hat selbst solche volkstümlichen Weisheiten gesammelt – und sie seinerseits in seine Bibelübersetzung eingebaut.

Morgengedanken 13.10.2017 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

„Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“. Dies ist eines der bekanntesten Sprichwörter. Das 16. Jahrhundert gilt bei den Sprachforschern als „goldenes Zeitalter“ für diese Zitate aus dem gemeinschaftlichen Volksmund. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Martin Luther Sprichwörter und Redensarten gesammelt hat – gut 400 hat er aufgelistet und den rein mündlichen Gebrauch verschriftlicht.

Karl Schiefermair
ist Oberkirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

Goldene Regel

Für zwei Bibelstellen hat Luther in seiner Übersetzung dieses Sprichwort mit der Grubenfalle übernommen. Ein anderes Sprichwort wird sogar als „Goldene Regel“ in die Grundlagen aller ethischen und moralischen Überlegungen übernommen: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Luther übersetzt diesen Grundsatz aus dem biblischen Buch Tobias (4, 16) in dieser Weise. Wir finden aber diesen einleuchtenden Leitgedanken bereits in vorbiblischer Zeit beim chinesischen Philosoph und Politiker Konfuzius, beim griechischen Denker Isokrátes und danach z.B. auch bei Buddha.

Diese „Goldene Regel“ des Verhaltens hat Jesus positiv ausgedrückt. Im Lukasevangelium lesen wir (6, 31): „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“ In einem Fall wird das menschliche Handeln im Negativen eingeschränkt, im anderen Fall ausgeweitet auf das Gute. Denn wer will nicht gut behandelt werden? – Und gibt so im jesuanischen Auftrag das Gute weiter? Sonst gilt ja das Sprichwort: Wer andern eine Grube gräbt ...