Solidarität mit den Bedrängten

Nur zu seinen Freunden nett sein? Nur die unterstützen, die meiner Meinung sind? Nur denen helfen, von denen ich mir einen Vorteil erwarten kann? Gute Taten als strategische Investition - die sich hoffentlich auszahlt...

Morgengedanken 10.11.2017 zum Nachhören:

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Einer der schönsten jüdischen Sakralbauten Wiens war der Turnertempel im 15. Wiener Gemeindebezirk - ganz in der Nähe meines Wohnorts. Ein einfach gestalteter Gedenkort erinnert noch heute an dieses eindrucksvolle Gebäude: Helle Betonbalken im Boden deuten den Grundriss an. Darüber liegen weitere Balken aus dunklerem Beton, die an die Dachbalken des Gebäudes erinnern.

Stefan Schröckenfuchs
ist Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich

Wer ist der Nächste?

Kreuz und Quer liegen diese dunklen Balken, und verweisen so auf das Ende des Tempels: Am 10. Novembers 1938 ist der Turnertempel niedergebrannt. Wie fast alle jüdischen Einrichtungen Wiens wurde auch dieses Bethaus an jenem Tag von den Schergen der Nazis in Brand gesetzt. Die Nachbarn hätten tatenlos zugesehen, heißt es in den Erzählungen von Augenzeugen. Auch die Feuerwehr hat nur die angrenzenden Gebäude vor einem Übergreifen der Flammen geschützt. Doch niemand war da, der sich diesem abscheulichen Treiben entgegengestellt hätte.

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, heißt es mehrfach in der Bibel. Als Jesus einmal gefragt wird, wer denn dieser Nächste sei, erzählt er die Geschichte vom Barmherzigen Samariter: Ein Mann wird auf einer Reise von Räubern überfallen. Hilflos bleibt er liegen. Ausgerechnet ein Fremder hilft ihm. Ja, es ist sogar einer, der einer anderen Religion angehört. Der Nächste - das ist also zuallererst der, der auf meine Liebe angewiesen ist. Solche Liebe zeigt sich in der konkreten Tat. Und die muss manchmal auch darin bestehen, mich schützend vor andere zu stellen. Auch wenn es dazu Mut braucht.