Pompeji des Nahen Ostens

„Sabah al-kheir!“ Freundlich die Begrüßung im Speisesaal. „Good morning. Your arabic coffee, sir!“ Mmh, ein Duft von Kardamom steigt aus der kleinen Tasse auf, elegant serviert von einem jungen Mann.

Gedanken für den Tag 14.12.2017 zum Nachhören:

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Seine rote Uniform gehört zum Farbdesign des Al Fanar Palace in Amman. Ein einfaches Hotel, von dem ich mit meinen Gruppen leicht in den Norden fahren kann. Zu einem „Pflicht-Besuch“ jeder Jordanienreise, etwa 50 Kilometer von Amman entfernt, nämlich nach Jerash, dem „Pompeji des Nahen Ostens“.

Jerash, das antike Gerasa

Am Chrysorhoas gelegen, am Goldfluss, der in den Yarmuk mündet. Seit mehr als 6000 Jahren besiedelt, eine fruchtbare Gegend mit Weizen, Oliven und Wein. Seine Blütezeit erlebt Gerasa unter römischer Herrschaft. Im 1. Jhdt.n.Chr. setzt eine enorme Bautätigkeit ein: zuerst der Tempel für Jupiter, zu seinen Füßen das Ovale Forum – der beste Platz für das Jerash Festival, wirklich „heiß“, jedes Jahr im Juli. Nach Norden erstreckt sich der Cardo, die Hauptachse der römischen Stadt, über 1000 Säulen, 800 m lang. Seitlich davon der imposante Artemis-Tempel mit einer eigenen Prozessionstreppe, das bedeutendste Bauwerk der Stadt.

Josef Schultes
ist katholischer Bibelwissenschaftler

Die eingehende Besichtigung, gut ein halber Tag, braucht auch Pausen. Ich nutze sie zum Nachlesen in der Bibel. Eine Dämonen-Austreibung spielt nämlich hier, „im Gebiet von Gerasa“, so das Markus-Evangelium (Mk 5,1). Jesus befreit einen psychisch Kranken von seiner Besessenheit. Der Dämon stürzt sich auf eine Herde von 2000 Schweinen, die „den Abhang hinab in den See Gennesaret“ stürmen und ertrinken (Mk 5,13). Der Evangelist Matthäus korrigiert und verlegt die Geschichte „in das Gebiet von Gadara“ (Mt 8,28). Jesu Heilung geschieht also in einem Ort westlich des Jordan. Der Name des bösen Geistes lautet „Legión“ (Mk 5,8f); das könnte eine Anspielung sein auf die Legionen der römischen Besatzungsmacht.

Der weitere Rundgang führt dann auch zu jüngeren Monumenten auf dem Areal von Gerasa: zu Mauerresten von Kirchen aus byzantinischer Zeit, nicht weniger als 13 an der Zahl. Eine davon, mit besonders gut erhaltenem Mosaikboden, ist den Brüdern Kosmas und Damian geweiht. Sie gelten als Hágioi Anárgyroi, als „heilige Geldverächter“, weil sie als Ärzte mittellose Patienten ganz umsonst behandelt haben sollen. Auch in unseren Tagen leisten viele Einzelpersonen und viele Gruppen unentgeltlich Arbeit und Hilfe. Ich danke allen, die das tun, dafür sehr herzlich!

Musik:

„Syrian Accordeon“ von Lars-Luis Linek, bearbeitet von Johannes Matthias Hoffmann
Label: Perfect Pitch PP 016