Bibelessay zu 2. Korinther 12, 1 - 10

Apostolischer Ärger blitzt uns hier am frühen Morgen entgegen. Ein Ärger, der diesen Text überhaupt erst hervorgebracht hat. Auch ein Apostel reagiert, wenn er sich ärgert, wie viele von uns: Er will ihn loswerden. So greift er zur Feder und schreibt. Einen ersten Brief nach Korinth, dann einen zweiten Brief nach Korinth und, wie viele Forscher meinen, noch einige mehr.

„Es muss gerühmt werden, auch wenn es gar nichts nützt“: Unwirsch beginnt Paulus diesen Abschnitt. Und richtig zornig schließt er ihn ab: „Ich bin ein Narr gewesen! Dazu habt ihr mich gezwungen.“ Das ist ganz schön viel Gefühl für einen, der sonst so kühl und überlegt Theologie betreibt. Aber die hohe Theologie des Gekreuzigten scheint für Paulus hier erst einmal ausgedient zu haben. So kann es nicht mehr weiter gehen mit den Korinthern. Jetzt müssen andere Geschütze aufgefahren werden. Jetzt wird’s persönlich.

Ingrid Bachler
ist evangelisch-lutherische Oberkirchenrätin in Österreich

Kein richtiger Apostel?

Worum geht es eigentlich bei diesen seltsamen Streitereien? Paulus hat in Korinth viele Gegner. Sie machen ihm mit allen möglichen Vorwürfen sein Apostelamt streitig. Seine Autorität steht auf dem Spiel. Die Palette der Verdächtigungen reicht bis hin zu ausfälligen Äußerungen. Sie nennen ihn unzuverlässig und hinterlistig, ungeschickt in der Rede und unterstellen ihm zugleich körperlich nicht auf der Höhe, ja vielleicht sogar sehr krank zu sein.

Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs. Es geht nämlich in diesem erbittert ausgetragenen Konflikt um die entscheidende Frage: Jesus Christus oder die Frömmigkeit, Evangelium oder Religion? Für die Gegner von Paulus müsste es sichtbare Beweise dafür geben, dass jemand ein richtiger Apostel ist. Nach ihrer Vorstellung muss er sich stark und taff präsentieren, möglichst immer mit einem erlösten Lächeln auf den Lippen und zugleich Autorität ausstrahlen. Vor allem aber muss er sich für die Korinther dadurch ausweisen, dass er religiöse Erlebnisse vorweisen kann: Träume, Visionen und Gottesoffenbarungen, die ihn aus dem Fußvolk der Gemeinde in die christliche Elite herausheben. Zum religiösen Führer, der sagt, wo’s lang geht.

Neue religiöse Führer

Und so sind neue religiöse Führer aufgetreten. Die wussten noch mehr und anderes zu erzählen als immer nur das eine, so anstrengende Wort vom Kreuz. Paulus hat Konkurrenz bekommen. Und Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft. So beginnt man in der Gemeinde in Korinth auf einmal die religiösen Führungskräfte miteinander zu vergleichen. Was haben sie zu bieten? Wie gut sind sie in der Selbstdarstellung?

Lebenskunst
Sonntag, 4.2.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Und sie liegen mit ihren Unterstellungen Paulus gegenüber nicht einmal falsch. Denn gemessen an ihren religiösen Erwartungen kann er sie gar nicht überzeugen und beeindrucken. Ihm geht es ja gerade nicht um sich und seine persönlichen Vorzüge. Ihm geht es immer wieder nur um das anstößige, beunruhigende Wort vom Gekreuzigten. „Wir predigen aber nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen“ Nicht Herr, sondern Knecht will der Apostel sein, nicht religiöser Führer, sondern Diener der Gemeinde.

Das letzte Wort

Und deshalb kann Paulus keiner von diesen religiösen Wunderknaben und Power-Christen sein, die den anderen triumphierend ihre Gotteserlebnisse aufdrängen. Er ist einfach ein Glaubender, der sich mit all den anderen Durchschnittschristen immer neu auf Gottes Erbarmen angewiesen weiß.

Ist es Paulus gelungen mit den Angriffen fertig zu werden? „So nicht“, lautet seine Botschaft nach Korinth. Wie aber dann? Das letzte Wort ist das entscheidende: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“.