Zum 1300. Todestag Ruperts von Salzburg

Gestorben am 27. März 718. Rupert von Salzburg bildet zusammen mit seiner Verwandten Erentrud eine der ältesten Kulturmarken im süddeutschen Raum. Salopp gesagt: Wo Rupert draufsteht, ist Salzburg drin.

Bei der Wiener Ruprechtskirche ankerten einst die Salzschiffe aus dem Westen, die prachtvolle Kirche im slowenischen Šentrupert verweist auf Salzburgs Pionierrolle im slawischen Süden. Der Ruperti-Winkel erinnert an jenes Drittel des Erzstifts, das 1816 an Bayern fiel. Wer aber war dieser Mann?

Rupert Klieber
ist katholischer Theologe und Kirchenhistoriker

Ein Musterbischof, der ganz Bayern bekehrt

Rupert war nicht irgendwer sondern stammte aus einer der vornehmsten Familien des Frankenreichs: den Rupertinern, die viele Grafen und Bischöfe am unteren Rhein und um Maastricht stellten. Genealogische Forschungen attestieren ihm eine illustre Verwandtschaft. Einer von ihnen war Bischof Lambert, der sich mit den Mächtigen der Zeit anlegte, was der belgischen Stadt Liège/Lüttich 705 einen Märtyrer-Patron bescherte. Eng mit ihm verwandt war wohl auch Folchaid, Frau des bayerischen Herzogs Theodo. Womit ein Fenster in die raue Welt um 700 geöffnet und eine Brücke gen Süden geschlagen ist. Was hatte Rupert dort zu suchen?

Keine leicht zu beantwortende Frage. Überliefert ist eine „Rupert-Saga“, die lange nach seinem Tod verfasst wurde. Sie präsentiert einen „Musterbischof“, der mit dem Herzoghaus ganz Bayern bekehrt und eine Region wiederaufbaut, die die Völkerwanderung verheert hat. Generationen von Historikern haben sich die Zähne daran ausgebissen, das tatsächliche Geschehen zu rekonstruieren. Einig wurde man nur darin, dass Rupert 696 Bischof von Worms war und irgendwann vor 716 das verfallene Iuvavum so in Schuss brachte, dass daraus die Kirchenmetropole Salzburg erwachsen konnte. Aber ist das alles, was zu Rupert zu sagen ist?

Klöster und Bischofssitze

Vorweg sind fromme Klischees auszuräumen. Die Bajuwaren waren zur Rupert-Zeit längst Christen und mussten nicht „missioniert“ werden. Ihre Kinder wurden getauft; ihre Toten nicht mehr in Reihengräbern sondern um Kirchen herum bestattet. Was im Vergleich zum besser organisierten Britannien und Frankenreich aber fehlte, waren Klöster und Bischofssitze. Erst sie sorgten für Leute, die lesen und schreiben konnten; ebenso für repräsentative Bauten, in denen die Vornehmen des Landes die Hochfeste feiern, nachgeborene Kinder versorgen und ihre Toten würdig bestatten konnten. Kurzum: Wer im kulturellen Ranking der Zeit bestehen wollte, brauchte Kirchenleute und musste sie versorgen. In diesem Sinne suchte auch Herzog Theodo die kirchliche Infrastruktur Bayerns aufzurüsten und warb dafür einen Experten an, den er im Verwandten Rupert fand. Dieser baute vorhandene Kirchen aus und errichtete neue. Ein schon bestehendes Männerkloster erhielt einen personellen Input aus Worms.

Lebenskunst
Sonntag, 25.3.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Herzogin Regintrud finanzierte am befestigten Nonnberg Bayerns erstes „geistliches Frauenhaus“, das Ruperts Verwandte Erentrud organisierte. Damen aus vornehmen Sippen konnten hier nun geschult werden, die standesgemäße Heirat abwarten oder ihren Witwenstand würdig verleben. Rupert kehrte dann nach Worms zurück. Er hatte die Aufgabe offenbar so solide erfüllt, dass Herzog Theodo 716 als „erster seines Stammes“ nach Rom pilgern und dort die Einrichtung von Bistümern für sein Land erwirken konnte. Ein Todesjahr Ruperts ist nicht überliefert. Die Fachleute lassen ihn zwischen 716 und 720 sterben. Also kein Anhaltspunkt für ein Jubiläum?

Ein Ostersonntag-Heiliger

Hier springt die Tradition ein. Ruperts Vita hält fest, dass er zur Resurrectio Domini verstorben sei, am Tag der „Auferstehung des Herrn“. Kalender der Zeit meinten damit den 27. März; denn die Kirchenväter hatten die Höhepunkte der Heilsgeschichte auf den antiken Jahresbeginn am 25.3. datiert: die Welterschaffung, die Menschwerdung des Gottessohnes in Maria neun Monate vor der Geburt, die Erlösung am Karfreitag, womit das erste Ostern eben auf den 27.3. fiel. Die zweite, bald gängige Lesart von Resurrectio Domini aber war, dass Rupert an einem Ostersonntag gestorben sei. Das wiederum taten die maßgeblichen Historiker als frommes Missverständnis ab. Was aber, wenn beide Lesarten stimmen: ein 27. März, der Ostersonntag war? Eine Überprüfung hat gezeigt: Diese Koinzidenz ist höchst selten, in 160 Jahren zwischen 630 und 790 kam sie nur zweimal vor: 707 und 718! Erstleser der Vita in den 780er Jahren konnten somit folgern: Rupert starb am 27. März 718, als dies zuletzt eingetreten war.

Die Zusammenschau von Historie und Tradition offeriert somit ein solides Angebot, ein Rupert-Jubiläum zu feiern, das man getrost nutzen kann. Die zentrale Botschaft der Vita aber ist eine andere. Rupert ist kein Karfreitag- sondern ein „Ostersonntag-Heiliger“. Seine Heiligkeit speist sich nicht aus Weltflucht oder gar Martyrium. Er war begnadeter Organisator, der aus Ruinen neues geistliches Leben und Wohlstand erwecken konnte. Eine sympathische Neben-Legende für Reichenhall ließ ihn wie einst Moses mit dem Stab auf den Felsen schlagen, aus dem seither Salzquellen sprudeln. Damit eignet sich Rupert bestens als Leitfigur für Politik und Kirchenleitung. Es sind nicht moralische Hochseilakte, die gute Führungskräfte ausmachen. Es reicht, wenn sie Aufgaben professionell und zum Wohle der ihnen Anvertrauten erledigen.