Bibelessay zu Markus 14, 12 - 16.22 - 26

Das Fronleichnamsfest wird namentlich oft missverstanden – vielleicht liegt es an dem Wort „Leichnam“, das eigentlich „Leib“ heißt. Aber auch die „Fron“ von Fronleichnam ist schon recht antiquiert. Also: Es soll sich um den Leib des Herrn handeln, den Leib Christi, den die Kirche in der Eucharistie als anwesend, gegenwärtig, bei den Menschen versteht.

Es geht nicht um Leichname, sondern um die sogenannten Einsetzungsworte „das ist mein Leib“ und „das ist mein Blut“ – eines Mahles, in dem nach katholischem Verständnis Jesus lebendig, nicht etwa tot, anwesend sein will. Auch hier herrscht sprachliche Verwirrung, denn das Essen eines Leibes und Trinken menschlichen Blutes klingt doch verdächtig. Was nimmt man zu sich, wenn ja der rationale Mensch sehen kann, dass sich im Kelch eines eucharistischen Mahles Weißwein befindet. (Vielleicht würden ja bei Rotwein einige besonders Wundergläubige physisches Blut vermuten.)

Severin Renoldner
ist römisch-katholischer Theologe

Wozu Prozessionen?

Ganz erklären kann man es meiner Meinung nach überhaupt nicht. Denn es ist ein besonderes Geschehen mit der Auferstehung Jesu Christi – es heißt, er war leiblich wieder auf der Erde anwesend. Danach aber ist er in den Himmel aufgefahren: also doch wieder abwesend? Und dann eben immer wieder unter uns gegenwärtig – und das ist jetzt gewissermaßen das Ende des Reigens: Verfolgung und Leiden – Kreuzigung und Begräbnis – Auferstehung und Begegnung mit seinen WeggefährtInnen – und Himmelfahrt. Was bleibt?

Es ist das, was in der Kirchentradition am Fronleichnamstag gefeiert wird. Man nennt es: die Gewissheit, dass Jesus, der umgebracht wurde und auferstanden ist, der bei Gott ist, doch gleichzeitig bei uns sein kann.

Lebenskunst
Donnerstag, 31.5.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Man könnte sagen: Dafür braucht man kein eigenes Fest. Und das stimmt auch, denn gewissermaßen feiert die katholische Kirche hier das, was sie eigentlich jeden Sonntag feiert. Oder man könnte sagen: Sie feiert das, was sie auch am Gründonnerstag gefeiert hat, wenn sie Jesus beim Abendmahl mit den Jüngern gedenkt. Wozu also die Prozessionen?

Nur dann ist er wirklich da

Das Fronleichnamsfest hat leider auch eine belastete Geschichte aus der Reformationszeit: Katholiken und Reformierte stritten darüber, inwieweit Christus im Brot enthalten ist oder nicht. Und ob man das auch nach dem Mahl aufsparen und im Tabernakel anbeten soll. Oder, ob man es aufessen soll und bei anderer Gelegenheit wieder neu Messe feiern.

Die Prozessionen hatten phasenweise den Charakter heutiger politischer Demonstrationen: Man marschierte mit der Monstranz durch die Gemeinden, wie um zu beweisen, dass Jesus definitiv „da drin“ sei.

Aber naturwissenschaftliche Beweisverfahren helfen dem Glaubenden dabei nicht. Hier liegt ein selbstverschuldetes Problem vor. Wer glaubt, dass Jesus auch heute unter den Menschen gegenwärtig sein kann, sollte das nicht gegen anders Glaubende richten. Ich glaube, nur dann ist Jesus wirklich da.