Syrien: UNO warnt vor religiösem Bürgerkrieg

Angesichts des Blutvergießens und Hunderttausender Flüchtlinge fordert UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon die sofortige Einstellung der Kämpfe in Syrien und warnt vor religiös motivierten Konflikten.

Der Kampf gegen Machthaber Baschar al-Assad weist auch eine konfessionelle Komponente auf. So gehören der Assad-Clan und die Spitzen des Regimes der schiitischen Gruppe der Alawiten an, während die meisten Aufständischen Sunniten sind. Aus der Minderheit der Christen gibt es nur wenig Unterstützung für die Opposition.

Ban Ki-Moon

Reuters/Srdjan Zivulovic

Mittlerweile sind nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens zwei Millionen Syrer von der Gewalt betroffen. Generalsekretär Ban Ki Moon warnt vor einem Konflikt der Konfessionen.

„Weitere Kämpfe sind nicht die Antwort“, sagte Ban am Montag vor Journalisten in New York. „Eine weitere Militarisierung dieses Konflikts wird nur die Zerstörungen endlos fortführen und das Leid verlängern. Ein religiös motivierter Bürgerkrieg würde außerdem auch die Nachbarn Syriens ernsthaft gefährden“, warnte er. Einen religiösen Konflikt hält auch Waseem Haddad, Religionswissenschafter an der Universität Wien, für möglich. „Das Zusammenleben zwischen den religiösen Gruppen hat bisher gut funktioniert. Grund dafür war aber der Druck durch ein starkes Regime, nicht unbedingt religiöse Toleranz.“

„Chaos ist möglich“

Haddad sieht einen religiösen Konflikt aber nur als eine von vielen Möglichkeiten. „Was nach Assad passiert, ist die große Frage“, so Haddad im Gespräch mit religion.ORF.at. „Es hängt davon ab, wie das Regime beendet wird. Wenn die bewaffneten Truppen alleine Assad stürzen, was ich allerdings für unwahrscheinlich halte, ist es gut möglich, dass Chaos ausbricht.“

Beschädigte Moschee in der syrischen Stadt Homs

Reuters/Stringer

Beschädigte Moschee in der stark umkämpften Stadt Homs

Einen weiteren Faktor sieht der in Syrien geborene Wissenschafter in der Länge des Konflikts: „Wenn der Konflikt noch lange andauert, kann er durchaus religiös werden.“ Das sei aber bisher nicht der Fall. Die Regimegegner, die gegen das Assad-Regime protestieren, kämen nämlich aus allen religiösen und sozialen Gruppen. „Unter den Demonstranten sind auch Christen, Ismailiten und Alawiten. Vor allem intellektuelle Alawiten wenden sich gegen Assad“, erklärt Haddad.

Islamisten wollen islamischen Staat

Unter den bewaffneten Kämpfern seien hingegen vor allem Sunniten, von denen einige als islamistisch zu bezeichnen seien. „Die Islamisten haben kein Interesse an Demokratie. Sie wollen einen islamischen Staat.“ Die Vielzahl an involvierten Gruppen und Interessen lässt Haddad auch von „Oppositionen“ sprechen. Die Frage, wer nach einem möglichen Regimeende die Macht übernehmen würde, sei mehr als offen.

Am Dienstag will der oppositionelle syrische Nationalrat in Kairo über die Bildung einer Übergangsregierung im Exil beraten. „Es werden Vertreter aller Oppositionsgruppen anwesend sein. In der vergangenen Woche haben wir mit Generälen der „Freien Syrischen Armee“ in einem türkischen Camp an der Grenze gesprochen“, sagte Nationalratsmitglied Halit Hoca. Eben jene „Freie syrische Armee“ hält Haddad jedoch für keine geschlossene Gruppe: „Das ist nur ein Titel“, so der gebürtige Syrer, „zum Teil kämpfen sogar Rebellengruppen gegeneinander."

Westerwelle fordert Demokratie-Bekenntnis

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rief indessen die syrische Opposition zu einem klaren Bekenntnis zur Demokratie auf. „Bei ihrem Treffen in Kairo sollten die verschiedenen Strömungen der Opposition unzweideutig sagen, dass ihr gemeinsamer Nenner der Kampf für ein demokratisches und pluralistisches Syrien ist, in dem auch Minderheiten wie die Christen ihren Platz haben“, sagte Westerwelle der „Rheinischen Post“ (Dienstag-Ausgabe).

Ein religiöser Konflikt würde jedoch, falls dieser ausbrechen sollte, eher zwischen Alawiten und Sunniten stattfinden, so Haddad. Hier gäbe es auch historisch Gründe: „1982 wurde unter der Herrschaft von Assads Vater ein Aufstand der Muslimbrüder brutal niedergeschlagen. Ein ganzer Ort wurde ausgerottet.“ Dies schüre Hass gegen Alawiten. Christen würden hingegen kaum verfolgt.

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(Red./APA)