Schwedischen Pfarrer holt Stasi-Vergangenheit ein

Nach seiner Enttarnung als Stasi-Spitzel hat ein pensionierter schwedischer Pastor sein Amt aufgegeben.

„Ich verzichte auf mein Pfarramt“, sagte Aleksander Radler der Zeitung „Dagen“ (Mittwoch-Ausgabe). Der lutherische Pfarrer war in den 1960er Jahren während seines Theologiestudiums in der DDR von der Staatssicherheit (Stasi) rekrutiert worden. Auch nach seiner Pensionierung war der 68-Jährige, der in Österreich geboren wurde, weiter als Pfarrer tätig. In der vorigen Woche gestand Radler seine Spionagetätigkeit ein.

Deckname „IM Thomas“

„Ich hätte auf meinen inneren moralischen Kompass hören und mit den Kräften der Zerstörung brechen sollen, auch wenn die sozialen und akademischen Kosten hoch gewesen wären“, sagte Radler. Stattdessen habe er bis in die 1980er Jahre hinein mit der Stasi zusammengearbeitet.

Im Dienst der Stasi

Inoffizielle Mitarbeiter (IM) lieferten in der DDR verdeckt Informationen an das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi), ohne formal für diese Behörde zu arbeiten.

In der Spätzeit der DDR versorgten rund 189.000 Personen den ostdeutschen Geheimdienst als IM mit Informationen. Die Stasi konnte damit beinahe alle gesellschaftlichen Bereiche der DDR überwachen.

Mit der Öffnung der Stasi-Archive im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung gelangten die Berichte und die Identität zahlreicher IM ans Tageslicht.

Unter dem Decknamen „IM Thomas“ soll Radler regelmäßig Berichte, unter anderem über die schwedische Kirche, an den ostdeutschen Geheimdienst geliefert haben. Durch seine Informationen an die Stasi Ende der 60er Jahre seien Studenten in der DDR verhaftet und am Zugang zu Studium und Arbeit gehindert worden. Nichts plage sein Gewissen mehr als das, so Radler zu der Zeitung.

Langjährige Stasi-Tätigkeit

Bereits 1994 hatte laut „Radio Schweden“ eine deutsche Untersuchung über die Verfolgung von Theologiestudenten an der Berliner Humboldt-Universität Radler als „IM Thomas“ enttarnt. Letzte Woche eröffnete seine Gemeinde in Luleaa, dass Radler lange inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sei.

Die Kirche hatte im vergangenen Jahr eine Untersuchung eingeleitet, nachdem sein Fall, allerdings unter Anonymisierung seines Namens, in einem schwedischen Buch über die Stasi behandelt worden war. Die Tageszeitung „Västerbotten-Kuriren“ hatte daraufhin enthüllt, dass es sich bei dem informellen Mitarbeiter um einen Pfarrer im Stift Lulea in Nordschweden handelte.

(Red./APA/AFP)

Links: