Sterbehilfe: Kirchen für „Wachsamkeit“

Deutschlands und Frankreichs Kirchen sind über die Tendenz in Europa, Sterbehilfe salonfähig zu machen, besorgt. Der deutsche Kardinal Joachim Meisner sieht Deutschland an einer „letzten Station“ angelangt.

Erzbischof Kardinal Meisner kritisierte den umstrittenen Gesetzesentwurf der deutschen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Sterbehilfe als endgültige Abkehr von der Unantastbarkeit menschlichen Lebens und als Preisgabe der Menschenwürde. „Gleich einer Wanderdüne“ sei „ein Eingriff nach dem anderen“ erfolgt, „bis wir nun an einem Punkt angelangt sind, in dem man mit vollem Ernst meint, an einen lebenden, wenn auch kranken Menschen Hand anlegen zu können“, schreibt Meisner im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe).

Warnung vor Schlupflöchern bei Verbot

Meisner sieht Deutschland an einer „letzten Station“ angelangt, wohingegen bisher „immer noch die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens bis zu seinem Tod“ gegolten habe. „Für das Ende des menschlichen Lebens gilt das Gleiche wie für seinen Beginn: Wir haben keine Verfügung darüber und dürfen sie uns auch nicht anmaßen - es sei denn um den Preis unserer menschlichen Würde“, so Meisner weiter.

Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner

dapd/Steffi Loos

Kardinal Joachim Meisner

Aktive Sterbehilfe dürfe es daher grundsätzlich nicht geben. Stattdessen fordert der 78-Jährige verstärkte Aufklärung über Schmerztherapie, Palliativmedizin und die Arbeit von Hospizen sowie eine intensivierte Sterbebegleitung.

Die deutsche Bundesärztekammer warnt vor Schlupflöchern beim geplanten Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Ausnahmen dürfe es nicht geben, auch nicht für Ärzte, sagte Vizepräsident Max Kaplan im Gespräch mit der dpa. "Die Aufgabe des Arztes ist es, Leben zu erhalten, Leiden zu lindern und Sterbenden Beistand zu leisten. Das heißt: Sterbebegleitung und ärztliche Hilfeleitung beim Sterben - und nicht zum Sterben.

Frankreichs Kirche fordert „Wachsamkeit“

Nach Deutschland erreichte die Debatte über aktive Sterbehilfe nun auch Frankreich. Die katholische Kirche forderte „Wachsamkeit“ in der von Staatspräsident Francois Hollande angestoßenen Diskussion über Sterbehilfe. Hollande vermeide bewusst den Ausdruck „aktive Sterbehilfe“. Gerade das zeige die „Doppeldeutigkeit“ seiner Vorschläge, sagte der Ethikexperte der französischen Bischofskonferenz, Jean Matos, der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA am Dienstag.

Aktive Sterbehilfe strafbar

Nach einem Gesetz von 2005 ist aktive Sterbehilfe in Frankreich strafbar. Ärzte dürfen die Behandlung unheilbar Kranker jedoch abbrechen oder einschränken, wenn der Patient das wünscht.

Die von Hollande verwendeten Begriffe seien vage und forderten eine Klärung, kritisierte er. Was könne ein „medizinisches Verfahren“ am Ende des Lebens anderes bedeuten „als eine Giftspritze“, so Matos. Jede Ausnahme beim geltenden Gesetz könne zum Dammbruch führen. Hollande hatte im Juli eine nationale Debatte über aktive Sterbehilfe angestoßen und eine Ethikarbeitsgruppe zum „Ende des Lebens“ eingerichtet. Bis Dezember werde es mehrere öffentliche Diskussionsrunden geben, in denen die gesellschaftliche Meinung zur Sterbehilfe ermittelt werden solle.

Eine verstärkte Tendenz zur aktiven Sterbehilfe in Europa sieht Matos nicht. Im Jänner habe der Europarat eine Entschließung zum Verbot von „Euthanasie im Sinn einer absichtsvollen Tötung eines abhängigen Menschen durch Handeln oder Unterlassen zu seinem oder ihrem angeblichen Wohl“ verabschiedet. Das bedeute für die Mitgliedsländer des Europarats zwar keine rechtliche Verpflichtung, werde aber „Einfluss auf die Gesetzgebung in den Ländern haben“, so Matos.

Debatte erreicht auch Österreich

Die Ökumenische Sommerakademie im oberösterreichischen Stift Kremsmünster vom 17. Juli widmete sich ebenfalls dem Thema „Tabu Lebensende“ und beschäftigte sich intensiv mit Themen rund um Sterbebegleitung und Sterbehilfe.

Die Kirchen müssten sich für ein gesellschaftliches Klima einsetzen, das ein „erfülltes Leben für alle in der Gesellschaft“ anstrebe, „auch für jene, die dem Tod nahe sind“, so der lutherische Bischof Michael Bünker. Der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer wies auf die christlich gebotene Fürsorge für Sterbende hin - mehr dazu in Deutschland: Kirche kritisiert Sterbehilfeentwurf.

(dpa/KAP)