Russischer Patriarch erstmals in Polen

Erstmals reist ein Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche ins katholische Polen.

Am Donnerstag beginnt die viertägige Reise des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. nach Polen. Höhepunkt des viertägigen Aufenthalts ist am Freitag, 17. August, die Unterzeichnung einer gemeinsamen Versöhnungserklärung von Polens katholischem Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, und Russlands orthodoxer Kirche im Warschauer Königsschloss.

Hintergrund:

Die Beziehungen der beiden Kirchen sind unter anderem durch den Hitler-Stalin-Pakt und den daraus resultierenden Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen sowie die Ermordung zahlreicher polnischer Kriegsgefangener durch die sowjetische Armee stark belastet. Gleichzeitig macht die russisch-orthodoxe Kirche Polen für die Ermordung von zahlreichen russischen Kriegsgefangenen im russisch-sowjetischen Krieg 1920/21 verantwortlich. Diese Geste zeigt laut Kommentatoren beider Länder, dass das russische Kirchenoberhaupt auf die katholische Kirche zugehe.

Reise nicht politisch motiviert

Das Oberhaupt der orthodoxen Kirche Polens, Metropolit Sawa, wies darauf hin, dass Kyrill I. eine rein kirchliche Agenda habe. Er wolle die Beziehungen zur katholischen Kirche vertiefen. „Er ist sehr offen für den Dialog“, so Sawa. „Die Botschaft ist ein kleiner Schritt nach vorn in den ökumenischen Beziehungen.“ Beide Seiten einigten sich gleich zu Beginn des Dialogs auf ein gemeinsames Dokument. Und das, obwohl es zwei verschiedene Kirchen sind, was eine zusätzliche Hürde ist. Eine vergleichbare Erklärung hat das Moskauer Patriarchat bislang mit keiner katholischen Bischofskonferenz erarbeitet.

Trotzdem bleibe es bei einem allgemeinen Appell zur Versöhnung. Das Dokument stehe am Anfang und nicht am Ende des gemeinsamen Dialogs, der die Beziehungen beider Länder normalisieren soll, heißt es in Warschau. Erst am Freitag soll der Text veröffentlicht werden, wenige Stunden bevor Kyrill I. und der ehemalige Erzbischof Jozef Michalik, ihn im Königsschloss unterzeichnen wollen. Ein Schlüsselsatz wurde aber bereits publik. Die Gläubigen werden aufgerufen, Gott um Vergebung für alles gegenseitig zugefügte Übel und Unrecht zu bitten.

Kritiker nicht überzeugt

Selbst mit seiner bislang größten Versöhnungsgeste vor drei Wochen in Katyn punktete das russische Kirchenoberhaupt nicht bei den polnischen Kritikern. Dort hatte Kyrill I. betont, er hoffe, dass von diesem Ort „gemeinsamer Tragödien und gemeinsamer Opfer“ des sowjetischen Diktators Josef Stalin eine neue Ära in den Beziehungen zwischen Polen und Russland ausgehen könne.

Der militante PiS-Politiker protestierte zudem gegen die Weihe einer orthodoxen Kirche auf dem Gelände der Katyner Gedenkstätte: „Die Familien der ermordeten Polen werden nicht in der orthodoxen Kirche beten.“ Eine Versöhnung auf der Grundlage von Lügen und Demütigungen, wie sie die Kirchenerklärung vorsehe, sei eine „Schande für Kirche und Polen“.

Der deutsche Ostkirchenexperte Johannes Oeldemann sieht dagegen in der neuen Kirche in Katyn eine große Chance. Wenn in ihr tatsächlich katholische Gottesdienste gefeiert werden, „wäre das eine wichtige Geste, deren Bedeutung - gerade angesichts der Bedenken orthodoxer Hardliner gegen jegliches gemeinsame Gebet mit Nichtorthodoxen - kaum überschätzt werden kann“, sagte er der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Die unmittelbaren Auswirkungen der polnisch-russischen Erklärung auf den orthodox-katholischen Dialog hält Oeldemann indes nur für gering.

Warschauer Königsschloss

REUTERS/Kacper Pempel

Im Warschauer Königsschloss soll der Versöhnungsvertrag unterzeichnet werden

Überschattet

Für den 17. August ist aber nicht nur die Unterzeichnung des Versöhnungspapiers zwischen russisch-orthodoxer und römisch-katholischer Kirche geplant, sondern auch das Urteil im umstrittenen „Pussy-Riot-Prozess“. Den Bandmitgliedern wird vorgeworfen, die russisch-orthodoxe Kirche beleidigt zu haben - mehr dazu in: Orthodoxe protestieren gegen Popstar Madonna .

Der Sprecher des Moskauer Patriarchats, Alexander Volkov, versicherte aber am Dienstag, dass der Besuch des russischen Kirchenführers in Warschau keinerlei politischen Unterton haben werde. „Patriarch Kyrill kommt zu einem brüderlichen und freundlichen Besuch nach Polen“, so Volkov.

Unterschiedliche Reaktionen

Während die Erklärung in Moskaus Presse bislang fast unerwähnt blieb, wurde sie in polnischen Zeitungen breit diskutiert. Politiker der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS von Ex-Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski übten teils scharfe Kritik. Der Abgeordnete Stanislaw Pieta schrieb auf seiner Facebook-Seite: „Es gibt keine Versöhnung mit der Putinischen Barbarei. Es gibt keine Versöhnung ohne Wahrheit.“ Er beschimpfte den Patriarchen als KGB-Agenten.

Dmitrij Babicz von der russischen Nachrichtenagentur „RIA Novosti“ sagte der Krakauer katholischen Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“, unter Kyrill I. sei die katholische Kirche für die orthodoxe „mehr ein Vorbild als ein Konkurrent“. Die westlichen Medien zeichneten von ihm ein falsches Bild: „Kyrill ist vor allem ein Reformer und Modernisierer seiner Kirche.“

(KAP/religion.ORF.at)