Billigexporte zerstören Afrikas Wirtschaft

Caritas International und der Evangelische Entwicklungsdienst kritisieren geförderte Billigexporte in Entwicklungsländer. Die heimische Wirtschaft dieser Länder habe dadurch keine Chance, lautet der Vorwurf.

Billigexporte von Fleisch, Weizen und Milchprodukte aus Europa oder Baumwolle aus den USA landen auf den Märkten von Entwicklungsländern. Die Produktion wird in den Industrieländern subventioniert und dann etwa nach Afrika verkauft. Dadurch können die europäischen und amerikanischen Bauern ihre Waren in Entwicklungsländern so billig anbieten, dass die einheimische Konkurrenz kaum Chancen habe, urteilt der Evangelische Entwicklungdienst (EED).

Geschlachtete Hühner hängen an Haken in einer Hühnerfarbrik und werden ausgenommen.

Reuters / Paulo Whitaker

„Momentan ist es ja so, dass in Ghana und der Elfenbeinküste die subventionierten EU-Hähnchen billiger sind als die afrikanischen Tiere“, kritisiert Oliver Müller, Chef von Caritas International.

Ähnlich sieht es Caritas International. Oliver Müller, der Chef von Caritas International kritisiert, dass viele in Europa und Amerika geförderte Produkte den lokal Markt in den Entwicklungsländern zerstören. Auf der anderen Seite werde aber dann wieder viel Geld als Entwicklungshilfe überwiesen, um den bankrotten Kleinbauern zu helfen.

Billigexport und Entwicklungshilfe

Francisco Mari ist Handelsexperte des Evangelischen Entwicklungdienstes (EED) in Bonn. Die EED-Gesprächspartner in den armen Ländern hadern immer wieder mit dem „Widerspruch“ in Europas Entwicklungspolitik, sagt Mari: „Was Ihr uns mit einer Hand gebt von euren Steuergeldern, das macht Ihr auf der anderen Seiten wieder kaputt durch eure Billigexporte.“

Zehn Jahre Verhandlungen und kein Ende

Seit Jahrzehnten fließt Geld aus den EU-Kassen in die armen Länder der Welt. 22 Milliarden Euro umfasst allein der Europäische Entwicklungsfonds von 2008 bis 2013 für Länder in Afrika, dem karibischen und dem pazifischen Raum. Eigentlich ließe sich den Menschen dort aber viel sinnvoller als mit Geld helfen, sagen Fachleute: durch faireren Handel. Doch beim Ringen um eine Reform des Welthandels in der sogenannten Doha-Runde ist auch nach über zehn Jahren kein Ende in Sicht. Die Verhandlungen heißen Doha-Entwicklungsrunde, weil in Katars Hauptstadt Doha der Startschuss fiel und dabei Entwicklung zu einem Hauptziel erklärt wurde.

„Widerspruch“ in Europas Entwicklungspolitik

Das Dilemma ist längst bekannt. Seit Ende 2001 wird im Rahmen der Genfer Welthandelsorganisation (WHO) um eine Lösung gerungen. Insgesamt soll „Doha“ laut WHO nicht weniger als „eine große Reform“ des Welthandels bringen.

Dabei wären alle Gewinner, analysiert die EU-Kommission, die für die Europäische Union die Verhandlungen führt. Doha könnte die weltweiten Ausfuhren um 310 Milliarden Euro pro Jahr steigen lassen, neben den Industrieländern würden auch Schwellenländer wie China von der Liberalisierung profitieren. Die Entwicklungsländer könnten mehr exportieren, müssten ihre eigenen Zölle aber „beträchtlich weniger“ herunterschrauben, heißt es in einem Kommissionspapier.

Abbau der Agrarsubventionen gefordert

Aber in den Reihen der Afrikanischen Union (AU) gibt es andere Stimmen. Demnach dringen die Sorgen der Armen in der Doha-Runde bei weitem nicht genug durch. Einen radikalen Abbau der Agrarsubventionen in den reichen Ländern und „freien Zugang für unsere Produkte“, fordert ein AU-Verantwortlicher in Brüssel. Generell müsse sich das Prinzip der Asymmetrie - die Reichen machen mehr Zugeständnisse - stärker niederschlagen, sagt der afrikanische Vertreter.

Was hilft den Armen?

Auch Caritas international und EED sind skeptisch, dass der bisherige Verhandlungsstand den Armen helfen würde. Und die Oxfam-Expertin Christine Pohl meint: Ob ein Scheitern von Doha gut oder schlecht ist, kommt auf die Alternative an. Allerdings brächten viele der derzeit von der EU verhandelten bilateralen Handelsabkommen „zum Nachteil der Schwächeren“ kontroverse Themen wieder auf den Tisch, „die in der Doha-Runde ausgeschlossen worden waren“.

Selbstheilungskräfte Afrikas blockiert

Ob im Rahmen von Doha oder nicht, der Widerspruch zwischen Milliardenhilfen auf der einen Seite - die EU ist der großzügigste Geber weltweit - und dem Handelssystem auf der anderen Seite muss endlich aufgelöst werden, fordern die Fachleute. „Europa blockiert die Selbstheilungskräfte Afrikas und gibt anschließend Entwicklungshilfe. Das ist eine widersinnige Politik“, urteilt Oliver Müller von Caritas international.

AFP

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Agrosprit: Breites Bündnis für Petition (16.08.2012; religion.ORF.at)