Trance und iPad: Die Celestial Church in Österreich

Afrikanische Traditionen, christliche Werte und moderne Elektronik: Die Celestial Church of Christ probiert seit dreißig Jahren den Spagat zwischen den Kulturen. Zum Jubiläum wird in Wien gefeiert.

Voll Schwung schwenkt ein Gemeindemitglied das Weihrauchfass und sogleich erfüllt dicker weißer Rauch das zur Kirche umgebaute Kellerlokal in der Mittelgasse, im sechsten Bezirk in Wien. Dazu mischen sich Dampf und die Gerüche von Kräutern aus den Töpfen der winzigen Küche gleich daneben. Seit dreißig Jahren kommen die Gläubigen der Celestial Church of Christ jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag zum Gottesdienst hier in Wien zusammen, ein Jubiläum das die Gemeinde derzeit mit einer Festwoche begeht.

Gottesdienst in der Celestial Church of Christ in der Wiener Mittelgasse.

Marcus Marschalek / ORF

Weihrauch soll vor dem Gottesdienst den Kirchenraum der Celestial Church of Christ von „bösen Mächten reinigen“ und für die Feier vorbereiten.

Im Besitz des Gebetes

Religionswissenschaftlich wird die Celestial Church of Christ den besonders in Westafrika verbreiteten Aladura-Kirchen zugeordnet. Aladura heißt in der Sprache der westafrikanischen Yoruba soviel wie „im Besitz des Gebetes“. Entstanden sind die Aladura Kirchen vor allem als Folge der spanischen Grippepandemie 1918 in Westafrika. Die christlichen Missionskirchen begegneten damals traditionellen spirituellen Heilspraktiken in Afrika sehr zurückhaltend. Die Missionare befürchteten ein Zurückfallen in „heidnische“ Traditionen.

Infolge der Spanischen Grippe suchten viele Menschen auch jenseits der Angebote des europäisch geprägten „Missions-Christentums“ nach Heilung und Rettung. Dieses Bedürfnis konnten Laienprediger stillen. Sie verknüpften biblische Heilungsgeschichten mit traditioneller westafrikanischer Spiritualität. Der Grundstein für die Aladura-Kirchen war gelegt.

Celestial Church in Togo

Astrid Mattes / ORF

Eine Gemeinde Lomé der Celestial Church in Togo. Im Gottesdienst gibt es Prozessionen, Gebete und Kollekten.

Reinigungszeremonie

Mittlerweile füllt sich das Kellerlokal der Celstial Church of Christ in Wien. Die Gläubigen ziehen weiße Gewänder an und die Frauen bedecken ihre Haare. Vier Kerzen werden an den Ecken des Kirchenraumes angezündet, sie sollen in alle Himmelsrichtungen hin Schutz geben; mit dem Weihrauchfass wird nochmals alles dick eingenebelt.

Celestial Church in Togo

Astrid Mattes / ORF

Die Celestial Church of Christ

  • Gegründet: 1947
  • Gründer: Samuel Oshoffa
  • Mitglieder: 5 Millionen weltweit
  • In Österreich seit 30 Jahren
  • Lehre ausgerichtet an der Bibel
  • Trance als Form des Gebetes
  • Strenge Hierarchie
  • Missionstätigkeit

Vor Gottesdienstbeginn vollziehen einige Frauen eine Reinigungszeremonie, denn nach der Menstruation dürften sie sonst dem Gottesdienst nicht beiwohnen. Kniend vor einer Schüssel Wasser, mit Kerze und Seife in der Hand, sprechen sie gemeinsam mit dem Gemeindeleiter, dem sogenannten „Shephered“, Gebete.

Fünf Millionen Mitglieder

Glaube, Regeln und Gebete der Kirche sind in einer 200 Punkte umfassenden Konstitution zusammengefasst. Die Celestial Church of Christ versteht sich als Nachfolgerin der Cherubin und Seraphin Society und wurde 1947 durch Samuel Oshoffa im heutigen Benin gegründet. In Visionen, die durch wundertätige Ereignisse begleitet wurden, erhielt er damals den göttlichen Auftrag die Kirche zu gründen, erzählen die Gläubigen über den 1985 verstorbenen Samuel Oshoffa. Schnell verbreitete sich die Kirche vor allem in Westafrika, Oshoffa versprach Schutz vor Zauberei und bösen Geistern. Geschätzte fünf Millionen Gläubige zählen sich heute zu der Celestial Church of Christ. Doch immer wieder gibt es Gemeindeabspaltungen. 2001 kam es wegen Kompetenzstreitigkeiten sogar zu einem Schisma, zur Trennung in einen englischen und französischen Teil der Kirche. Man konnte sich nicht auf einen „Pastor“ einigen. Der Pastor hat in der Celestial Church eine dem Papstamt ähnliche Position inne.

Gottesdienst in der Celestial Church of Christ in der Wiener Mittelgasse.

Marcus Marschalek / ORF

Gottesdienst in der Celestial Church in der Wiener Mittelgasse. Kerzen, Salz und Früchte werden zum Altar getragen.

Die Heilige Schrift am iPad

Im Wiener Kellerlokal hat der Gottesdienst begonnen. Die Frauen stehen links, die Männer rechts. Vorne neben dem Altar singt der Chor. Gesang ist ein wichtiges Ausdrucksmittel beim Gottesdienst und die Lieder haben sehr unterschiedlichen Charakter, von sehr rhythmisch und fröhlich bis melancholisch. Chorleiter Femi Okunlola bedient den Synthesizer. Er komponierte einige der Lieder selber und studiert einmal pro Woche das Liedgut mit den Sängerinnen und Sängern ein. Während einer Predigt ist es in der Kirche üblich, dass spontan Lieder angestimmt werden, gleichsam ein Dialog zwischen Prediger und Gemeinde. Es gibt daher auch keine fixen Zeiten für das Ende des Gottesdienstes. Zwischen drei und fünf Stunden verbringt man jeden Sonntag miteinander beim Feiern der Liturgie.

Celestial Church in Wien. Die Gläubigen lesen die Bibel auf iPad und Smartphone.

Marcus Marschalek / ORF

Im Gottesdienst lesen die Gläubigen die Bibel am Kindle, iPad oder Smartphone. Afrikanische Traditionen, christliche Werte und moderne Elektronik sind hier eine spannende Symbiose eingegangen.

Wichtig ist den Gemeindemitglieder das Lesen und Hören der Bibel, in ihren Riten, der Liturgie und den Glaubensüberzeugungen bezieht sich die Kirche unmittelbar auf die Heilige Schrift der Christen. Während dem Gottesdienst ziehen die Gläubigen immer wieder iPads, Kindle-Reader und Smartphones unter ihren weißen Gewändern hervor und lesen die vorgetragenen Textstellen auf ihren Bildschirmen mit. Eine sehr moderne Art an wörtlicher und traditioneller Bibelauslegung festzuhalten.

Gottesdienst in der Celestial Church of Christ in der Wiener Mittelgasse.

Marcus Marschalek / ORF

Nach dem Gottesdienst wird oft gemeinsam gekocht und gegessen, der Kirchenraum zum Gemeindesaal umfunktioniert. Schweinefleisch dürfen die Mitglieder der Kirche nicht essen, berauschende Speisen und Getränke sind ebenfalls verboten.

Visionen und Trance

Halleluja-Rufe begleiten die Gebete und ab und zu gerät ein Gemeindemitglied in Trance, hat Visionen, spricht plötzlich in anderen Sprachen. „Ein Zustand höchster Freude, inniger Begegnung mit Gott im Gebet“, erzählt Mannix Akinfenwa aus dem Kirchenkommittee. Stark ausgeprägt ist auch die Engelverehrung. Religionswissenschaftlich sieht man darin einen Ersatz für die traditionelle Ahnenverehrung in weiten Teilen Afrikas.

Celestial Church in Togo

Astrid Mattes / ORF

Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten kommen Mitglieder der Celestial Church of Christ aus der ganzen Welt nach Wien.

Jubiläum

Dreißig Jahre ist die Gemeinde nun schon in Wien tätig. Trafen sich hier anfänglich hauptsächlich Immigranten aus Westafrika, ist die nächste Generation der Gläubigen schon hier geboren und aufgewachsen. Das verändert und prägt auch die Celestial Church in Wien, erzählt die junge Ärztin Lissy Olaniyan. Es wird immer wieder diskutiert und überlegt wie afrikanische Traditionen und Österreichischer Lebensstil gut zusammengeführt werden können. Aktuell umfasst die Gemeinde in der Mittelgasse etwa 150 Gläubige und ist eine sogenannte „Mutterkirche“, auf die sich bereits andere Gemeindegründungen beziehen. Insgesamt gibt es in Österreich derzeit noch eine weitere Gemeinde in Wien und eine in Salzburg. Sie alle gehören zu der zentraleuropäischen Diözese der Celestial Church. Anlässlich des Festaktes zum dreißigjährigen Jubiläum werden Würdenträger und Gläubige der „himmlischen Kirche Christi“ aus der ganzen Welt in Wien erwartet.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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