„Ökumene jetzt“: Kirchenspaltung überwinden

Was prominente Christen in Deutschland fordern, scheint für österreichische Christen unrealistisch: die Aufhebung der Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten.

Ein halbes Jahrtausend nach Luthers Reformation wollen Katholiken und Protestanten in Deutschland die Spaltung der Kirchen überwinden. Prominente wie Richard von Weizsäcker, Günther Jauch und Frank-Walter Steinmeier preschen mit einem Dokument der „Ungeduld“ vor.

Ökumene leben

Die seit fast 500 Jahren bestehende Teilung sei politisch nicht mehr zu rechtfertigen, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Aufruf. Theologische Gründe reichten nicht aus, um die Trennung fortzusetzen. Es gebe viel mehr, was katholische und evangelische Christen verbinde, als was sie trenne. Mit der Initiative „Ökumene jetzt - ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“ fordern prominente Katholiken und Protestanten ein Ende der Kirchenspaltung in Deutschland. Sie streben auch die organisatorische Einheit der beiden Kirchen an.

Hans Peter Hurka

APA/Herbert Pfarrhofer

Hans Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform „Wir sind Kirche“

In Deutschland leben rund 50 Millionen Christen, etwa je zur Hälfte Katholiken und Protestanten. Diese Zahlen unterscheiden Deutschland von Österreich, denn hier sind Protestanten in der Minderheit. Der Vorsitzende der Plattform „Wir sind Kirche“, einem Verein zur Förderung von Reformen in der römisch-katholischen Kirche in Österreich, Hans Peter Hurka, meint dazu im Gespräch mit religion.ORF.at, dass die Situation in Österreich aufgrund der katholischen Mehrheit nicht mit der in Deutschland vergleichbar sei.

In österreichischer Praxis „gängiges Prinzip“

Die Kirchengemeinschaft zwischen katholischen und evangelischen Christen sei „ein gängiges Prinzip unter aufgeschlossenen Christen“, so Hurka. Selbstverständlich gehe man wechselseitig zur Kommunion nehme am jeweiligen kirchlichen Leben teil. Besonders hebt der Katholik diese Praxis in Bezug auf konfessionsverbindende Ehen hervor. Ansätze wie etwa gemeinsame Kirchen zu bauen, würden in Österreich von der Kirchenleitung allerdings nicht gern gesehen.

Michael Bünker, Bischof der evangelischen Kirche A.B. in Österreich, hat „viel Verständnis“ für den Aufruf und begrüßt solche Initiativen, „weil sie darlegen, dass die Kirchen reformpflichtig sind“. Die Kirchen seien ihren engagierten Mitgliedern Reformen quasi schuldig. Die Einheit der Kirchen würde allerdings voraussetzen, dass die römisch katholische Kirche die evangelischen Kirchen voll anerkennt. Die Notwendigkeit einer organisatorischen Einheit sieht der Bischof im Gespräch mit religion.ORF.at nicht. Die Einheit bestehe ja in der Verkündigung des Evangeliums.

Skepsis auf beiden Seiten

Der Mitgründer der katholischen „Laieninitiative“ und ehemalige ÖVP-Politiker Herbert Kohlmaier fürchtet, dass „bei uns so etwas nicht zustande kommen wird“. Die Kirchenleitung messe den Laienorganisationen zu wenig Bedeutung zu, so Kohlmaier gegenüber religion.ORF.at. Außerdem gebe es in Österreich - im Gegensatz zu Deutschland - wenige Politiker, die sich kirchlich engagieren.

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) reagierten zurückhaltend auf das Dokument. Die deutschen Bischöfe erklärten in einer Stellungnahme den Dialog zwar für unverzichtbar. Eine volle Einheit sei aber ohne eine solide theologische Verständigung unmöglich. Im Gegensatz zur Darstellung im Dokument „Ökumene jetzt“ halten sie fest, dass vor allem theologische und nicht politische Gründe für die Kirchenspaltung verantwortlich gewesen seien. Auch die EKD betonte, dass theologische Grundeinsichten für die Begründer beider Konfessionen existenziell waren - mehr dazu in Deutsche Kirchen: Skepsis gegenüber „Ökumene jetzt“ (religion.ORF.at; 6.9.2012).

„Kein Ungehorsam“

Für die Initiatoren sei der Appell auch als Ermutigung an die Pfarrer zu verstehen, den Weg der „Einheit in der Vielfalt“ fortzusetzen, sagte der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bei der Vorstellung des Dokuments. Es sei aber kein Aufruf zum Ungehorsam der Geistlichen, wie der Philosoph Hans Joas betonte.

Anlass für die Initiative sind der 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils, das sich für eine Verständigung mit den Protestanten ausgesprochen hatte, sowie der 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017.

religion.ORF.at

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