„Ökumene jetzt“-Forderung schlägt Wellen

Während die Reaktionen auf den Aufruf meist skeptisch sind, konkretisiert einer der Initiatoren das Projekt.

Der Theologe Otto Hermann Pesch

kathbild / Franz Josef Rupprecht

Theologe und Mitinitiator des Aufrufs „Ökumene jetzt: ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“, Otto Hermann Pesch.

Otto Hermann Pesch, katholischer Theologe und Mitautor des Ökumene-Aufrufs forderte schnelle Schritte zur Überwindung der Trennung der Kirchen. Er widersprach im Deutschlandfunk Aussagen von Kirchenrepräsentanten, nach denen es immer noch großen theologischen Klärungsbedarf in entscheidenden Fragen gebe. „Die argumentativen Klärungen liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch“, sagte er. „Man muss sich nur bedienen.“

Wie berichtet, hatten Katholiken und Protestanten aus Politik und Gesellschaft den Aufruf „Ökumene jetzt“ am Mittwoch in Berlin veröffentlicht. 500 Jahre nach der Reformation und 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) sei es an der Zeit, die Kirchenspaltung zu überwinden, heißt es darin. Mehr dazu in: „Ökumene jetzt“: Kirchenspaltung überwinden (religion.ORF.at; 5.9.2012).

Nicht Kircheneinheit, sondern Kirchengemeinschaft

Pesch räumte ein, dass es weiterhin Unterschiede im Glaubens- und Kirchenverständnis zwischen Katholiken und Protestanten gebe. Die Frage sei aber, ob sie „wirklich noch kirchentrennend sind“ oder ob sie nicht lediglich als Unterschiede in der Spiritualität, in der Theoriebildung oder in der praktischen Schwerpunktsetzung zu werten seien, „die durchaus legitim sind“.

Nicht Kircheneinheit, sondern Kirchengemeinschaft sei das Ziel. Der Theologe verwies auf das Verhältnis der altkirchlichen Patriarchate untereinander. „Die waren rechtlich und auch in ihren Kirchenstrukturen durchaus unterschiedlich, hatten aber miteinander Kirchengemeinschaften. Das bedeutet, sie haben sich gegenseitig anerkannt in ihren Ämtern, in ihren sakramentalen Vollzügen und so weiter“. Die volle gegenseitige Anerkennung wünscht sich auch der Jurist und bekennende Protestant Udo Jesionek. Er hält aber die Einheit der Kirchen für absolut unrealistisch.

Kritik aus Köln

In einer am Donnerstagabend im Kölner „domradio“ veröffentlichten Erklärung warnt der kölner Kardinal Joachim Meisner vor einem "neuen

Kardinal Joachim Meisner vor einem Mikrofon

kathbild / Franz Josef Rupprecht

Kardinal Joachim Meisner

ökumenischen Holzweg". Die Autoren des Aufrufs erweckten den Eindruck, „als bedürfe es nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen“. Das wirke für die Ökumene-Beauftragten „sehr ernüchternd, um nicht zu sagen deprimierend“, so der Kardinal. Gerade in jüngster Zeit habe sich „so mancher gewichtige konfessionelle Gegensatz“ bisweilen sogar verstärkt. Das gelte besonders auf dem Gebiet der christlichen Ethik.

Kardinal Meisner hebt hervor, die katholische Kirche sei eine Weltkirche mit 1,3 Milliarden Christen. Fragen katholischer Glaubensüberzeugung und der Übereinstimmung mit anderen Konfessionen seien daher auf nationaler Ebene „zwar zu fördern, nicht aber verbindlich zu entscheiden“. Ökumene betreiben könne nur, wer den jeweiligen Partner ernst nehme. Die traditionelle Formel, wonach katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet, reiche dazu nicht aus.

Ökumene nicht allein für Katholiken und Protestanten

Ökumene in Europa könne sich zudem nicht auf die katholische und die evangelische Kirche beschränken, unterstreicht Meisner. Theologie und Amtsverständnis der orthodoxen Christen „einfach auszuschließen, führt auf einen neuen ökumenischen Holzweg“. Auch die zahlreichen Freikirchen in Deutschland und Westeuropa hätten einiges zum Thema Ökumene beizutragen.

Seit fast 50 Jahren bemühten sich die Kirchenleitungen „trotz allem weiter darum, die tatsächlichen Entwicklungen in den Gemeinden vor Ort so zu begleiten, dass die Ökumene die Trennung unserer Kirchen überwindet und nicht neue Risse entstehen lässt“, so der Kölner Erzbischof. Viele engagierte Gläubige arbeiteten daran, die Ökumene weiter voranzubringen. Meisner wörtlich: „Es bleibt zu hoffen, dass der genannte Appell dieser Vertreter der Öffentlichkeit nicht zu der irrigen Einschätzung führt, die Einheit sei bereits erreicht und müsse nur noch vollzogen werden. Ein Läufer, der vor dem Ziel stehenbleibt und jubelt, verliert bekanntlich den Lauf.“

Die Diskussion hält an

Auch der Münsteraner katholische Bischof Felix Genn kritisierte den Aufruf prominenter Christen zu mehr Ökumene. Über die Öffentlichkeit Druck auf die Kirchenleitungen auszuüben, halte er für „wesentlich zu kurz gegriffen und deshalb nicht zielführend“, schreibt Genn in einer Erklärung. Vielmehr könne ein solches Vorgehen, „welches die noch bestehenden Grunddifferenzen im sakramentalen Verständnis des christlichen Glaubens leugnet, zu neuen Spaltungen führen“.

Es sei nicht einfach eine Frage der Übereinkunft zwischen den Kirchenleitungen, sich über Eucharistie und das kirchliche Amt zu verständigen, betont Genn. Hier lägen „viel tiefere, lehrmäßige Unterschiede, die weiter bedacht und aufgearbeitet“ werden müssten. Auch Udo Jesionek hebt im Gespräch mit religion.ORF.at den Aspekt des Amtsverständnisses zwischen den Konfessionen hervor. Er meint, dass es für ihn als Protestanten sehr schwierig wäre, den Papst anzuerkennen, genauso wie für Katholiken, sich von diesem zu distanzieren.

Felix Genn würdigt in seiner Erklärung aber auch die Intention des Aufrufs. Es sei völlig klar, dass damit ein Anliegen aufgegriffen werde, dass bereits Jesus am Herzen gelegen habe: „Die Einheit aller, die an ihn glauben.“ Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sei „in dieser Richtung sehr viel geschehen“. Und Udo Jesionek fühlt sich durch die Taufe mit anderen Christen „doch sehr verbunden“. Gemeinsam das Abendmahl zu feiern sei sehr schön, „ansonsten soll jeder nach seiner Facon selig werden“, so Jesionek.

religion.ORF.at /KAP

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