Beten, feiern, voneinander lernen

Im ersten interreligiösen Gebetshaus in Berlin-Mitte werden Christen, Juden und Muslime nebeneinander beten.

Das „Bet- und Lehrhaus am Petriplatz“, wie der Sakralbau genau heißen wird, enthält laut Entwurf getrennte Gebetsräume für Juden, Muslime und Christen und einen gemeinsamen Raum der Begegnung. Das dreistufige, kubisch geformte Haus soll an der Stelle der früheren evangelischen Sankt-Petri-Kirche im Stadtzentrum an der Ecke Breite Straße/Gertraudenstraße entstehen.

„Für eine gute Nachbarschaft von Judentum, Christentum und Islam im Herzen Berlins“ soll das gemeinsame Gotteshaus Platz bieten. Tovia Ben-Chorin, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde, sagte über den Siegerentwurf, von dem Gebäude gehe eine Symbolik aus, die stärker sei als Prügelattacken und Beschneidungsdebatten. „Das Bethaus bestärkt meinen Glauben an interreligiösen Dialog“, so der Rabbiner.

Ausstellung über interreligiöses Bethaus in Berlin-Mitte, House of one

Michel Koczy / Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin e.V.

Ab 14. September werden die prämierten Entwürfe in einer Ausstellung in der Parochialkirche gezeigt

„Haben eine Leerstelle gespürt“

Im Interview mit dem Inforadio des Rundfunks Brandenburg-Berlin (RBB) sagte der evangelische Pfarrer Gregor Hohberg über die Entstehung des Projekts: „Uns ist aufgefallen, dass sich im Umfeld, im Kiez die Bevölkerungsstruktur verändert, dass da mehr Menschen, die dem Islam anhängen, wohnen, und wir haben auch gespürt, dass da eine Leerstelle ist, um diesem Dialog der Religionen Raum zu geben.“ Und so sei sehr schnell die Idee entstanden, etwas an diesem Ort zu schaffen, „als Christen, aber zusammen mit anderen Religionen“.

Als „identitätsstiftenden Ort der unvoreingenommenen Begegnung der drei monotheistischen Religionen mit der Stadt und untereinander“ sehen die Betreiber des Projekts, die den Verein "Bet- und Lehrhaus Petriplatz e.V.“ als institutionelle Trägerstruktur des Projekts im Oktober 2011 gründeten, den Bau. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehören die evangelische Kirchengemeinde Sankt Petri-Sankt Marien, die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham Geiger Kolleg, das muslimische Forum für Interkulturellen Dialog Berlin und das Bundesland Berlin.

„Vermengung“ ist nicht das Ziel

„Öffentlich und für jeden frei zugänglich“ können Juden, Muslime und Christen hier ihre jeweiligen Gottesdienste und Feste begehen und „unter Einbeziehung der mehrheitlich säkularen Stadtgesellschaft einander kennenlernen, den Dialog und Diskurs miteinander suchen“, so die Vereinsbetreiber auf ihrer Website. Eine „Vermengung“ der drei Religionen ist hier nicht das Ziel, sondern ein Neben- und Miteinander mit Interesse am jeweils anderen und freundschaftlichem Austausch.

Um den Bau hatten sich 38 Architektenbüros aus aller Welt beworben, der Auftrag ging vergangenen Freitag an das Berliner Büro Kühn Malvezzi - mehr dazu in Berlin: Interreligiöses Gotteshaus nimmt Gestalt an. Von außen wird das Gebäude aus glattem Backstein nicht gleich als Sakralbau erkennbar sein. „Erst innen werden die drei Religionen sichtbar: Unter dem horizontalen Dach wölbt sich eine Moscheekuppel, die christliche Kirche läuft zu einem Spitzdach zu“, sagte Architekt Johannes Kuehn, wie die Onlineausgabe der „Berliner Zeitung“ am Donnerstag berichtete. Die Synagoge ist nach Jerusalem ausgerichtet, die Moschee nach Mekka.

Gotteshaus am Ursprungsort der Stadt

Was das „dreifach nutzbare“ Gotteshaus von bereits existierenden multireligiös genutzten Gebetsräumen etwa in Flughäfen unterscheiden soll, ist, dass es von außen als Sakralbau „in zeitgenössischer Architektur“ erkennbar sein werde, so die Architekten.

Ausgrabung am Petriplatz in Berlin-Mitte

ddp images/AP Photo/Franka Bruns

Ausgrabung im Jahr 2008 am Petriplatz in Berlin-Mitte

Der Petriplatz gilt als Ursprungsort der Stadt Berlin - hier wurde im Jänner 2008 ein Eichenbalken gefunden, der die Anfänge der damaligen Doppelstadt Berlin-Cölln im 12. Jahrhundert datierbar macht. Im Jahr davor war man bei Ausgrabungen auf das Fundament der alten Petrikirche gestoßen. Der erste namentlich bekannte Stadtbewohner war ein Pfarrer ebendieser Petrikirche, er wird in einer Urkunde aus dem Jahr 1237 erwähnt. Nach der Zerstörung der Kirche im Zweiten Weltkrieg ließ die DDR-Regierung sie 1964 gänzlich beseitigen.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

Links: