„Bartprozess“: Amische wegen Hassverbrechen verurteilt

Ein US-Gericht hat am Donnerstag 16 Amische schuldig gesprochen, Glaubensbrüdern und -schwestern gewaltsam Bärte und Haare abgeschnitten und damit „Hassverbrechen“ begangen zu haben.

Das Gericht im US-Staat Ohio entschied im Fall der 16 Mitglieder eines extremen Amischen-Clans auf Verbrechen aus Hass. Die Strafe dafür könne nach US-Recht mehr als 20 Jahre betragen, berichtete der TV-Sender Fox News. Das Strafmaß soll im Jänner bekanntgegeben werden. Dem Urteil waren vier Tage intensiver Beratungen der Jury vorausgegangen. Der Prozess hatte weltweit für Aufsehen gesorgt.

Amisch-Männer in einem US-Gerichtsgebäude

EPA/David Maxwell

Angehörige der Amisch-Glaubensgemeinschaft verlassen das Gerichtsgebäude

Die Verurteilten, zehn Männer und sechs Frauen, hatten die Bärte und Haare anderer Mitglieder ihrer christlichen Religionsbewegung im Ort Bergholz geschnitten, um sie für mangelnde Folgsamkeit zu bestrafen. Mehrere Opfer wurden dabei auch mit Scheren verletzt. Hauptangeklagter war der Amischen-Bischof Sam Mullet, der seine Gemeinde mit eiserner Faust regiert und seine Gefolgsleute zu den Taten angestiftet haben soll. Die Angeklagten wurden außerdem wegen Verschwörung für schuldig befunden.

Extreme Amisch-Splittergruppe

Der Großteil der Glaubensgemeinschaft lebt in den US-Bundesstaaten Ohio, Pennsylvania und Indiana. Die Verurteilten gehören einer Gruppe an, die sich vor 17 Jahren von einer friedlichen Amisch-Gemeinde in Ohio abgetrennt und einen eigenen Clan mit ungefähr 125 Mitgliedern gebildet hatte.

Amische bei der Feldarbeit

Reuters/Frank Polich

Die Amischen führen ein Leben weitgehend fernab der modernen Zivilisation

Wie US-Medien aus Gerichtspapieren zitierten, forderte Mullet von seinen Gefolgsleuten absolute Disziplin - und strafte jene, die nicht gehorchten. Als sich 2005 acht Familien von der Gemeinde lossagten, habe Mullet sie exkommuniziert. Nachdem ein Ausschuss gemäßigter Amisch-Mitglieder diese Entscheidung aufgehoben hatte, sei der Bischof wütend geworden und habe die Bart- und Haarattacken angeordnet - mehr dazu in „Bartkrieg“ der Amisch nun vor Gericht (religion.ORF.at; 27.8.2012).

Pferdegespanne und Privatunterricht

Die Amischen (engl.: Amish) lehnen technischen Fortschritt wie Elektrizität und Telefon weitgehend ab und führen zumeist ein einfaches, bäuerliches Leben. Statt Autos benutzen sie Pferdegespanne. Sie bevorzugen altmodische Trachten, die erwachsenen Männer tragen Bärte. Ihre Kinder besuchen keine öffentlichen Schulen, sondern werden privat unterrichtet. Die Muttersprache der Amischen ist ein pfälzischer Dialekt.

Ihre Wurzeln haben sie in der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts. 1693 spalteten sie sich unter Führung des Schweizer Bischofs Jakob Ammann - daher der Name - von den Mennoniten ab. In Europa häufig verfolgt, emigrierten die Amischen seit Anfang des 18. Jahrhunderts in die USA. Heute leben dort knapp 274.000 von ihnen.

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