Jom Kippur: Das Fest der Versöhnung
Zu Jom Kippur, dem Tag der Reue, Buße und Umkehr, erhoffen sich gläubige Juden die Vergebung ihrer Sünden. Der Zweck dieses Tages wird im Buch Levitikus beschrieben: „Denn an diesem Tag entsühnt man euch, um euch zu reinigen. Vor dem Herrn werdet ihr von allen euren Sünden wieder rein” (Levitikus 16:30).
Der Feiertag steht in einer Reihe von Festtagen, die durch das jüdische Neujahr, Rosch ha-Schana, begonnen werden. Juden glauben, dass ihnen die Verfehlungen gegen Gott vergeben werden. Wer sich gegen einen Menschen versündigt hat, muss sich zuvor entschuldigen. In jedem Fall bedarf es zur Vergebung von Sünden wahrer Reue, weshalb die Zeit zwischen Neujahr und Versöhnungstag den Bitten um Verzeihung gewidmet ist.
„Gute Besiegelung“
Laut talmudischer Überlieferung öffnet Gott zu Rosch ha-schana drei Bücher: eines für besonders schlimme Sünder, ein weiteres für ganz Fromme und ein drittes für durchschnittliche Menschen. Das Schicksal jener, die im dritten Buch eingetragen wurden, wird nicht sofort, sondern erst zu Jom Kippur besiegelt. „Chatima towa!“ - gute Besiegelung, lautet daher der traditionelle Feiertagsglückwunsch.
Zu Jom Kippur wird nicht gearbeitet und schon am Vorabend beginnt man zu fasten. Am Nachmittag des Vortages wird mit der Familie gegessen und es gibt den Brauch, dass Eltern ihre Kinder segnen. Das Fasten ab Erev Jom Kippur, dem Beginn des Festtages am Vorabend, betrifft alle gesunden Juden und Jüdinnen. Mädchen fasten ab dem zwölften, Buben ab dem 13. Geburtstag. Während der 25-stündigen Fastenzeit wird weder gegessen noch getrunken. Erst nach Einbruch der Dunkelheit am darauffolgenden Tag wird das Fasten gebrochen.
Buße im Totenhemd
Der Tag selbst wird fast zur Gänze in der Synagoge verbracht. Schon am Vorabend wird im Gottesdienst das „Kol Nidrej“ gesprochen, ein Gebet, das Gelübde, die ein Mensch sich selbst aufgebürdet hat, aufhebt. Man trägt weiße Kleidung, als Zeichen der Buße. Es gibt auch den Brauch, das weiße Totenhemd, den „Kittel“, als Erinnerung an die eigene Sterblichkeit zu tragen. Aber auch der Verstorbenen des vergangenen Jahres wird im Rahmen des Versöhnungstages gedacht.
Der Fasttag endet mit dem Blasen des Schofarhorns, eines rituell genutzten Instruments aus Widder- oder Kuhhorn. Anschließend wird gemeinsam feierlich gegessen. Fünf Tage später beginnt bereits das nächste Fest: Sieben Tage lang wird das Laubhüttenfest begangen, bei dem der Geschichte des Volkes Israels gedacht wird.
Vergebungsrituale
Je nach Richtung im Judentum werden vor und zu Jom Kippur verschiedenste Rituale durchgeführt. Beim symbolischen Sühneritual „Kapparot“ etwa, wird ein Huhn am Vorabend des Festtages dreimal über dem Kopf geschwungen, während Glaubenstexte zitiert werden. Darauf folgt eine rituelle Schlachtung des Tieres, das den Armen gespendet wird. Für dieses Ritual gibt es verschiedene Erklärungen. Unter anderem findet sich die Symbolik des Sündenbocks wieder: Stellvertretend für den sündigenden Gläubigen symbolisiert der Tod des Huhns die Reinigung von Sünden.
Reuters/Baz Ratner
Von Sünden befreien soll auch das „Malkot“-Ritual, das wie „Kapparot“ am Vorabend zu Jom Kippur durchgeführt wird. Im Rahmen einer symbolischen Geißelung werden Psalmen über Vergebung gesprochen. Wie auch „Kapparot“ wird „Malkot“ immer seltener durchgeführt und ist vor allem ein von orthodoxen Juden praktizierter Brauch.
EPA/Nati Shohat
Israel steht still
Zu Jom Kippur ist Israel im Ruhezustand. Der Flugverkehr und öffentliche Transporte kommen zum Erliegen, Rundfunk- und Fernsehprogramme werden unterbrochen. Wegen des Festes hat die israelische Armee auch das Westjordanland und den Gazastreifen abgeriegelt.
Reuters/Eliana Aponte
Sämtliche Übergänge zwischen Israel und den Palästinensergebieten wurden in der Nacht zum Dienstag abgesperrt, wie die Armeeführung mitteilte. Die Regelung sollte bis Mittwochabend in Kraft bleiben, Ausnahmen soll es nur bei dringenden medizinischen Notfällen geben.
Astrid Mattes, religion.ORF.at