„Vatileaks“-Prozess: Ex-Kammerdiener gesteht

In der Enthüllungsaffäre „Vatileaks“ hat der angeklagte Ex-Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, am Dienstag weitgehend gestanden. Er habe keine Komplizen gehabt, so Gabriele.

Er gab vor dem vatikanischen Gericht zu, vertrauliche Dokumente weitergegeben zu haben. „Ich bin überzeugt, dass es einfach ist, eine Person mit einer derartigen Macht zu manipulieren. Oft saßen wir am Tisch, und der Papst stellte Fragen über Angelegenheiten, über die er hätte informiert sein sollen“, berichtete der 46-Jährige. In Bezug auf den Vorwurf des schweren Diebstahls sei er unschuldig, sagte Gabriele. Er gab jedoch zu, dass er das Vertrauen des Papstes missbraucht habe, den er „wie ein Sohn“ liebe.

„Allein gehandelt“

Gabriele berichtete, dass er bereits 2010 begonnen habe, vertrauliche Dokumente des Papstes an die Öffentlichkeit zu bringen. Er versicherte, dass er allein gehandelt habe, als er vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan an einen italienischen Journalisten weitergab, allerdings seien in den letzten Jahren auch Dokumente über andere Personen des Vatikans an die Öffentlichkeit gekommen. Gelegentlich habe er vertrauliche Gespräche mit den Kardinälen Paolo Sardi und Angelo Comastri geführt.

Paolo Gabriele bei der Verhandlung im "Vatileaks"-Prozess

ANSA/EPA/L'Osservatore Romano

Paolo Gabriele (re.) gibt an, ohne Komplizen gehandelt zu haben

Er habe „ohne Komplizen“ agiert, verfüge jedoch über zahlreiche „Kontakte“, sagte der verheiratete Vater dreier Kinder. In der Verhandlung wurde zudem entschieden, eine Untersuchung zu den Haftbedingungen Gabrieles, über die er sich beklagte, zu eröffnen. Unter anderem sprach Gabriele von „psychologischem Druck“.

Gänswein: „Nicht gemerkt, dass Briefe fehlten“

Bei der Gerichtsverhandlung am Dienstag wurde auch der Privatsekretär des Papstes, Bischof Georg Gänswein, befragt, der Gabriele als Spion entlarvt hatte. Er sagte, er habe den angeklagten Kammerdiener zum ersten Mal verdächtigt, als er im Buch des Journalisten Gianluigi Nuzzi „Sua Santita“ drei Briefe veröffentlicht sah, die nur er als Papst-Sekretär besitzen konnte. „Ich hatte nicht gemerkt, dass die Briefe fehlten“, sagte der Sekretär, der wenige Meter von Gabriele saß. Die beiden wechselten jedoch keinen Blick.

Auch einige Beamte, die die Wohnung Gabrieles durchsucht hatten, wurden befragt. Sie bestätigten, dass in der Wohnung des Kammerdieners ein dem Papst ausgestellter Scheck im Wert von über 100.000 Euro, ein Goldklumpen sowie ein wertvolles Buch aus dem 16. Jahrhundert gefunden wurde. Den Goldklumpen hielt Gabriele in einer Schuhschachtel versteckt. In der Wohnung Gabrieles fanden die Gendarmen zahlreiche Dokumente über Freimaurerlogen und Geheimdienste.

Klage über Haftbedingungen

Weitere Zeugen sollen am Mittwoch vernommen werden. Zu ihnen zählen auch eine Hausdame des Papstes aus der Geistlichen Gemeinschaft Memores Domini und weitere Gendarmen. Der Prozess fand in einem kleinen Gerichtssaal hinter der Peterskirche statt. Zu den Verhandlungen wurde lediglich ein Pool aus acht Printmedien- und Agenturjournalisten zugelassen, die den Kollegen dann über die Entwicklungen des Prozesses berichteten. Fotos oder TV-Bilder des Angeklagten im Gerichtssaal gab es keine. Ein Richtertrio führt den Prozess.

Paolo Gabriele bei der Verhandlung im "Vatileaks"-Prozess

L'Osservatore Romano/AP/dapd

Der Ex-Kammerdiener des Papstes (re.) klagt über schwierige Haftbedingungen

Gabriele klagte über seine schwierigen Haftbedingungen nach seiner Festnahme am 23. Mai. Über 20 Tage habe er in einer winzigen Zelle verbringen müssen, in der er nicht einmal die Arme ausstrecken konnte. 24 Stunden lang sei elektrisches Licht aufgedreht gewesen. Deswegen habe er auch Augenbeschwerden bekommen. Daraufhin eröffnete der vatikanischen Staatsanwalt Nicola Picardi eine Untersuchung zu den Haftbedingungen Gabrieles.

Augenmaske und „spirituelle Betreuung“

Der Kommandant der vatikanischen Gendarmerie, Domenico Giani, erklärte in einer Presseaussendung, dass Gabriele während seiner 53-tägigen Untersuchungshaft ab dem 23. Mai stets menschlich behandelt worden sei. In Gabrieles Zelle sei das Licht aus Sicherheitsgründen nie ausgeschaltet worden, um Selbstverletzungen des Angeklagten vorzubeugen. Gabriele selber habe um Licht in den Nachtstunden gebeten.

Dem Inhaftierten sei eine Augenmaske geliefert worden, damit er trotz des Lichts schlafen könne. Es sei unbestreitbar, dass Gabriele menschlich behandelt worden sei, auch weil er das Personal der Gendarmerie gut kannte. Sollten sich Gabrieles Vorwürfe als unbegründet erweisen, drohe ihm eine Klage, hieß es in Gianis Presseaussendung.

Auch der vatikanische Pressesprecher Pater Federico Lombardi versicherte, dass Gabrieles Haftbedingungen „sehr menschlich“ gewesen seien. Auch die kleinste Zelle, in der Gabriele die Untersuchungshaft verbracht hatte, entspreche internationalen Standards. Während seiner Haft sei Gabriele ärztliche und spirituelle Betreuung gesichert worden. Außerdem habe er Besuche von Familienangehörigen und Rechtsanwälten erhalten. Der vatikanischen Staatsanwalt Nicola Picardi leitete eine Untersuchung der Haftbedingungen Gabrieles in die Wege.

Urteil voraussichtlich Samstag

Gabriele drohen bis zu sechs Jahre Haft. Allerdings könnte er im Fall einer Verurteilung vom Papst begnadigt werden. Der Ex-Butler hatte bereits nach seiner Festnahme im Mai die Vorwürfe eingeräumt, sich entschuldigt und den Papst um Vergebung gebeten. Die acht Zeugen, die im Prozess vorgeladen wurden, darunter Gänswein, sollen in den weiteren beiden Gerichtsverhandlungen aussagen. Mit einem Urteil ist am Samstag zu rechnen, berichteten italienische Medien.

APA/dpa

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