Buch-Neuerscheinungen zum Konzilsjubiläum

Dieser Tage jährt sich die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 50. Mal. Fünf Bücher, die sich allesamt durch Prägnanz, Kürze und gute Lesbarkeit auszeichnen, seien zur Lektüre vorgeschlagen.

Zahlreiche Neuerscheinungen ranken sich um das Jubiläum der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils und legen – auf unterschiedliche Art und Weise – Zeugnis ab von der bleibenden Bedeutung dieses Ereignisses. Vier Bücher, die sich allesamt durch Prägnanz, Kürze und gute Lesbarkeit auszeichnen.

Bücher zum Konzilsjubiläum

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Walter Kirchschläger, Kirche im Aufbruch. Der Weg zum Konzil, erschienen bei Styria

Aufbruch

Walter Kirchschläger, erst vor kurzem emeritierter Professor für Neues Testament in Luzern, beschreibt den Aufbruch, den das Konzil für die römisch-katholische Kirche bedeutet, indem er den Blick auf seine Anfangsphase richtet: auf die Entwicklungen von der Wahl Angelo Roncallis zum Papst über die – überraschende – Ankündigung des Konzils durch Johannes XXIII. im Jänner 1959 bis hin zur Konzils-Eröffnung am 11. Oktober 1962. Wie wurde dieses Weltereignis mit 3044 Teilnehmern – noch lange vor der Erfindung von Internet und e-Mail – organisiert und vorbereitet?

Wie kam es, dass die Bischöfe mit dem Papst an ihrer Seite in der Anfangsphase des Konzils die Regie übernehmen und die Pläne der römischen Kurie über den Haufen werfen konnten, das Konzil als ein römisch-zentralistisches Ereignis in der (zugespitzt formuliert) „antimodernen“ Tradition der Piuspäpste zu gestalten? Und welche Rolle spielten die österreichischen Bischöfe, insbesondere Kardinal Franz König (dessen Sekretär Kirchschläger von 1970-1973 war) mit Karl Rahner als so genanntem Peritus, als theologischem Berater, an seiner Seite?

Österreichbezug

Dieser Österreichbezug macht die sowieso spannende Lektüre noch interessanter, und einige Anekdoten – etwa, dass der Speiseeis-Liebheber Rahner auf die Einladung Königs zur Mitarbeit als Peritus abweisend gemeint habe: „Eminenz, mein gelati kann ich auch in Innsbruck oder München essen“; oder, dass der Konzilstheologe Edward Schillebeeckx über den 5stündigen Gottesdienst zur Eröffnung des Konzils notierte „Ein liturgischer Mist! ... Die Notwendigkeit für liturgische Erneuerung durch diese Eröffnung bewiesen!“ – machen das Buch nicht nur zu einer interessanten, sondern auch zu einer amüsanten Lektüre. Wer es liest, erfährt viel Neues.

(Das Buch erscheint bei Styria als Band 1 der Reihe „Kardinal König Bibliothek“, herausgegeben von Helmut Krätzl, Annemarie Fenzl und Walter Kirchschläger. Die Reihe wird die kommenden Konzilsjubiläumsjahre „begleiten“.)

Bücher zum Konzilsjubiläum

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Helmut Krätzl, Das Konzil – ein Sprung vorwärts. 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil. Ein Zeitzeuge zieht Bilanz, erschienen bei Tyrolia

Das Buch erscheint bei Styria als Band 1 der Reihe „Kardinal König Bibliothek“, herausgegeben von Helmut Krätzl, Annemarie Fenzl und Walter Kirchschläger. Die Reihe wird die kommenden Konzilsjubiläumsjahre „begleiten“

„Das Konzil – ein Sprung vorwärts“

Neues, aber auch Bekanntes findet sich bei Helmut Krätzl. „Das Konzil – ein Sprung vorwärts“ ist in gewisser Weise die Nachfolge-Publikation zu Krätzls Buch „Im Sprung gehemmt. Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt“, dessen Wiederauflage dem ehem. Wiener Weihbischof untersagt worden war. In „Das Konzil – ein Sprung vorwärts“ greift Krätzl die Fäden von „Im Sprung gehemmt“ auf und spinnt sie weiter.

Krätzl erzählt von den Erwartungen an das Konzil, von Gegenbewegungen und vom Mut der Bischöfe, vom Ringen um die Texte, die schlussendlich verabschiedet wurden, von den Errungenschaften des Konzils und seinem unausgeschöpften Potenzial. Die zentralen Themen des Zweiten Vaticanums kommen in ihrer ganzen Breite zur Sprache: Liturgie, die Wiederentdeckung der Bibel, die neue Ehelehre, Ökumene, Verhältnis zum Judentum und Religionsfreiheit, Kollegialität der Bischöfe mit dem Papst und „gemeinsames Priestertum aller Gläubigen“.

Geist des Konzils

Das Buch atmet den Geist des Konzils. Mit Händen greifbar wird die Konzilsbegeisterung des Zeitzeugen Krätzl (er war als Stenograph bei der ersten Session 1962 dabei; bei den folgenden Sessionen nicht mehr, ab 1963 wurden die Diskussionen am Konzil auf Tonband aufgezeichnet). Doch bleibt das Buch nicht in Nostalgie und Vergangenem stecken, es richtet den Blick in die Zukunft: „Die Erneuerung der Kirche,“ schreibt Krätzl programmatisch, „50 Jahre nach dem Konzil, wieder eine ‚Verheutigung’ (Aggiornamento) im Geiste Johannes’ XXIII. sind die Jünger Christi der Menschheitsfamilie schuldig ... .“

Bücher zum Konzilsjubiläum

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Rainer Bucher, … wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, erschienen bei Echter

Blinde Machthaber

Dass sich in den 50 Jahren seit der Konzilseröffnung so einiges geändert hat und dass die Theologie des Konzils dennoch leitend sein kann für die katholische Kirche, die vor einer „prekären Zukunft“ steht, zeigt der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher.

„Seit der Spätantike hatte die Kirche die Macht über alles, was für Menschen wichtig ist: über das Wissen, über die Gesellschaft und über die Moral. In dieser Reihenfolge hat sie ihre Macht auch verloren ... . Das Problem von Machthabern ist, dass sie so leicht blind werden für neue Wirklichkeiten.

Man sah nicht, was sich im Fernrohr Galileis zeigte, man sah nicht, dass die Menschenrechte ein Ort sind, die Offenbarung Gottes zu begreifen, und man sieht bisweilen nicht immer noch nicht, dass in dieser Gesellschaft nicht nur Werteverfall stattfindet, sondern auch ein neuer Werteaufbau, auch im Bereich des Verhältnisses der Geschlechter.“ (S. 169) Den ersten beiden der genannten blinden Flecken hatte sich das Zweite Vatikanische Konzil zugewandt, antwortete auf die Herausforderungen mit der Öffnung der Kirche zur Welt.

„Reichweitenverluste“

Die Jahrzehnte nach dem Konzil waren bestimmt von weiterem „Reichweitenverlust“, einem „unvermeidlichen Abstieg“: Kirchenaustritte, Priestermangel, schrumpfende Gottesdienstbesucherzahlen, ein Anbieter unter vielen auf dem Markt des Religiösen – Entwicklungen, die manche kulturpessimistisch als Werteverfall deuten.

Rainer Bucher stellt sich gegen diese Deutung. Und er unternimmt einen Sehversuch: schaut hin auf die aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche, zeigt Kontraste auf – zwischen Priestern und Laien, zwischen Hautamtlichen und Ehrenamtlichen, zwischen Mitgliedern und Ausgetretenen, zwischen regelmäßigen GottesdienstbesucherInnen und „Kasualienfrommen“ (vormals „Fernstehende“ genannt), zwischen Männern und Frauen –, macht Vorschläge für eine Neuausrichtung der pastoralen Praxis. Und setzt dabei nicht auf Sicherheiten, sondern auf das Wagnis.

Denn das Gewagte, so Bucher, sei heute das „Sicherere“, auch wenn man dabei mit Scheitern rechnen müsse. Scharf in seinen Analysen ist Buchers Buch, oft überraschend, und die – gewagten – Perspektiven bieten reichlich Diskussionsstoff.

Bücher zum Konzilsjubiläum

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Hubert Philipp Weber/Erhard Lesacher (Hg.), Lesebuch Konzil. Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils, erschienen im Dom-Verlag

Begleitung in Buchform

Bücher können ja bekanntlich gute Begleiter sein. Ein hervorragender Begleiter durch die kommenden Konzil-Jubiläums-Jahre ist das von Hubert Philipp Weber und Erhard Lesacher herausgegebene „Lesebuch Konzil“. Das Buch hält, was der Titel verspricht: In dem Buch können die wichtigsten Konstitutionen/Dekrete/Erklärungen des Konzils nachgelesen werden – und zwar mit überaus hilfreichen Lesehilfen versehen.

Einleitende Texte führen auf wenigen Seiten zu den jeweiligen Konzils-Dokumenten hin: sie skizzieren die Vor- bzw. Entstehungsgeschichte des jeweiligen Dokuments und die Diskussionen um selbiges ebenso wie die zentralen Aussagen. Es folgen die Originaltexte (wobei – nicht zu viele und nicht zu wenige – zentrale Artikel ausgewählt wurden).

Seitlich neben dem Originaltext finden sich kurze Kommentare, mittels derer der Leser/die Leserin an der Hand genommen und durch die Lektüre des jeweiligen Dokumentes geführt wird. Sehr hilfreich – schließlich kommen die Konzils-Dokumente nun eines nach dem anderen in die 50er und sind heute (aufgrund des zeitlichen Abstands, aber auch aufgrund ihrer Sprache) teilweise gar nicht mehr so leicht verständlich.

Bücher zum Konzilsjubiläum

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Martin Leitgöb, Dem Konzil begegnen. Prägende Persönlichkeiten des II. Vatikanischen Konzils, erschienen bei topos taschenbücher

Menschen gestalten Geschichte

Wer sich dem Ereignis Zweites Vatikanisches Konzil lieber weniger systematisch und mehr biografisch begegnen will, dem/der sei schließlich Martin Leitgöbs Buch empfohlen. Es versammelt 37 Kurzportraits prägender Persönlichkeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils: Die beiden Konzilspäpste, Johannes XXIII. und Paul VI., werden porträtiert. Kardinäle und Bischöfe, die einflussreich waren (wie Liénart, Frings, Döpfner, König) werden ebenso vorgestellt wie Handelnde aus der Kurie (z. B. Felici, Ottaviani und Bea). Und auch Konzilstheologen (Rahner, Congar, Ratzinger, Küng ...) sowie ökumenische Beobachter und Konzilsjournalisten fehlen nicht. Es sind immer Menschen, die Geschichte gestalten. Auch auf einem Konzil.

Maria Katharina Moser, religion.ORF.at

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