„Vatileaks“-Urteil steht bevor

Der Prozess gegen den ehemaligen Papst-Butler Paolo Gabriele steht kurz vor dem Abschluss. Am Samstag soll das Urteil verkündet werden, teilten Prozessbeobachter am Mittwoch mit.

Zuvor würden noch die Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung das Urteil verkündet, hieß es weiter. Am dritten Prozesstag wurden mit vier vatikanischen Gendarmen die letzten Zeugen befragt. Thema war die Durchsuchung von Gabrieles Wohnung am 23. Mai. Eine „Nebenfront“ im Zuge des Prozesse ist das Medieninteresse für die frühere Haushälterin von Joseph Ratzinger, Ingrid Stampa, die in engem Kontakt mit Gabrieles Frau steht.

Beim Prozess sagte ein Zeuge, unter den beschlagnahmten Dokumenten habe man auch gut 1.000 Kopien und Originale gefunden, die Papst und Vatikan betreffen. Das seien weitaus mehr, als in dem Buch „Sua Santita“ des Journalisten Gianluigi Nuzzi veröffentlicht waren. Einige der Dokumente trugen laut dem Gendarmen die handschriftliche Unterschrift von Papst Benedikt XVI.

Haushälterin: „Verleumdungen“

Die frühere Haushälterin von Joseph Ratzinger, Ingrid Stampa, wies unterdessen den Verdacht einer angeblichen deutschen Verschwörung in der „Vatileaks“-Affäre zurück. „Es ist ganz einfach lächerlich. Alles Fantasie. Verleumdungen“, sagte die Deutsche der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Mittwoch-Ausgabe). Auch Gabriele hatte am Dienstag vor dem vatikanischen Gericht ausgesagt, dass er sich „in dieser Rekonstruktion“ nicht wiedererkenne. Er gab zu, vertrauliche Dokumente des Vatikan entwendet und kopiert zu haben.

Gabriele hatte in einem anonym geführten TV-Interview im Februar allerdings von 20 Gesinnungsgenossen gesprochen. Aus diesem Grund ließ der vatikanische Staatsanwalt Nicola Picardi nicht so schnell locker, wie Prozessbeobachter berichteten. Gabriele hatte außerdem in ersten Vernehmungen angegeben, von seinem Umfeld beeinflusst worden zu sein.

Gabriele: Keine Beeinflussung

Picardi erinnerte den Angeklagten daran, dass er von Kontakten mit den Kardinälen Angelo Comastri, Paolo Sardi sowie mit Ingrid Stampa und einem weiteren Monsignore berichtet habe. Der Staatsanwalt wollte wissen, ob der Butler von diesen Personen beeinflusst worden sei oder ob es etwa eine Zusammenarbeit gegeben. Gabriele verwahrte sich aber gegen eine solche Annahme. Von einer „Beeinflussung“ könne in diesen Fällen nicht die Rede sein und schon gar von einer Zusammenarbeit.

Im Juli hatte die deutsche Zeitung „Die Welt“ berichtet, dass Stampa (62), der frühere Privatsekretär des Papstes Bischof Josef Clemens (65) sowie der frühere Vize-Camerlengo (Kardinalkämmerer) Kardinal Paolo Sardi (78) in der Affäre verdächtigt würden. Der Artikel, der wenige Tage später zugespitzt auch in der römischen Zeitung „La Repubblica“ erschien, stellte einen direkten Zusammenhang zwischen „Vatileaks“ und persönlichen Animositäten her, die diese drei gegen den päpstlichen Privatsekretär Georg Gänswein und Kardinalsstaatsekretär Tarcisio Bertone hegten. Als mögliche Motive nennen die Zeitungen Neid und Missgunst.

Nur „Material gesammelt“?

Über Gabriele sagte Stampa, dass er dem Papst und der Kirche geschadet habe. Sie glaube jedoch nicht, dass dies seine Absicht gewesen sei. Stampa, die im Vatikan eine Wohnung im selben Gebäude wie Gabriele hat, sagte, dass auch dessen Frau nichts von seinen Taten gewusst habe. Sie habe die Familie nach der Verhaftung des 46-jährigen Italieners besucht, um der Frau und den Kindern zu helfen.

Ihr scheine, dass Gabriele alles allein gemacht habe, antwortete Stampa auf die Frage nach möglichen Hintermännern. Als Mann, der gerne Dinge untersuchte, habe er womöglich das Material gesammelt, um sich eine Meinung über die Situation im Vatikan zu bilden. Stampa arbeitet im vatikanischen Staatsekretariat. Nach Informationen aus dem Vatikan beendete sie vor kurzem die Übersetzung des dritten Bandes des Jesus-Buches von Benedikt XVI. aus dem Deutschen ins Italienische. Es soll zu Weihnachten erscheinen.

religion.ORF.at/KAP

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