50 Jahre II. Vaticanum: Als die Kirche die Moderne probte

Am Donnerstag begeht die katholische Kirche den 50. Jahrestag der Eröffnung des zweiten Vatikanischen Konzils. Es läutete einen Modernisierungsprozess in der katholischen Kirche ein, der bis heute nicht abgeschlossen ist.

Unter dem Stichwort „Aggiornamento“ (etwa: an die Gegenwart anpassen) gingen die Bischöfe des Konzils daran, die Kirche ins 20. Jahrhundert zu begleiten. Von Oktober 1962 bis Dezember 1965 ging es darum, die katholische Kirche in die Moderne zu führen. Schon in Zahlen erzählt war das auch als II. Vaticanum bezeichnete Treffen von Bischöfen aus aller Welt ein Großereignis nie gekannten Ausmaßes.

2.540 Konzilsväter zogen am Eröffnungstag, dem 11. Oktober 1962, in die Peterskirche ein. Papst Johannes XXIII., der die Einberufung und Vorbereitung der Synode initiiert hatte, hielt einen Eröffnungsgottesdienst ab. Die damals größte Kirche der Welt konnte den Andrang kaum fassen. Zu den Konzilsvätern zählten Bischöfe aus Asien, Afrika und allen Missionsgebieten der Welt. Die orthodoxen Kirchen waren als Beobachter ebenso vertreten wie die evangelischen und die Altkatholiken.

Einzug der Konzilsväter beim Zweiten Vatikanischen Konzil

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Einzug der Konzilsväter am Eröffnungstag

Die Konzilseröffnung war weltweit ein großes Medienereignis. Johannes XXIII. bedankte sich im Rahmen einer Sonderaudienz bei 800 Journalisten. Österreich war beim Konzil durch 17 Konzilsväter vertreten, allen voran der Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König. Auch Karol Wojtyla, Weihbischof von Krakau und später Papst Johannes Paul II., war anwesend. Zu den Bischöfen kamen noch mehr als 200 Theologen und fast 100 Beobachter. Sie trafen sich in mehreren Sitzungsperioden. Die Sitzungssprache war Latein. Nach dem Tod Johannes XXIII. im Jahr 1963 führte Papst Paul VI. das Konzil bis zu dessen Ende 1965 weiter - mehr dazu in Chronologie des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Reform der Liturgie

Als erstes Dokument verabschiedeten die Konzilsväter die „Konstitution über die heilige Liturgie (Sacrosanctum concilium)“. Mit ihr nahm die Reform des Gottesdienstes ihren Anfang, die schließlich 1970 zu einem erneuerten Messbuch führte. Die Priester feiern die Eucharistie seither in der Regel nicht mehr mit dem Rücken zum Kirchenvolk, das für viele Menschen unverständliche Latein wurde weitgehend durch die jeweilige Landessprache ersetzt.

Eröffnungsgottesdienst des Zweiten Vatikanischen Konzils

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Drei Jahre Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil wurde am 11. Oktober 1962 von Papst Johannes XXIII. (1958 bis 1963) eröffnet und endete am 8. Dezember 1965 unter Papst Paul VI. Es zählt zu den bedeutendsten Ereignissen der katholischen Kirchengeschichte im 20. Jahrhundert.

Die Rolle der Laien wurde vom Konzil aufgewertet, das Diakonat steht seither auch verheirateten Männern offen. Diese Reform wurde von Konservativen und Traditionalisten scharf kritisiert und führte später zu Abspaltungen.

In vier Sitzungsperioden erarbeiteten die Konzilsväter 16 Dokumente: vier Konstitutionen, neun Dekrete und drei Erklärungen. Dass das Zweite Vatikanische Konzil zu einem derartigen Marathon werden würde, hatte bei dessen Vorbereitung und Eröffnung wohl niemand geahnt. Schon bevor die Gespräche begannen, zeigten sich die Konfliktlinien zwischen „Bewahrern“ und „Reformern“, die sich später in den entscheidenden Sitzungen des Konzils vertiefen sollten.

Keine „Christusmörder“ mehr

Ein weiteres Schlüsseldokument ist die „Dogmatische Konstitution über die Kirche (Lumen gentium)“. Nach dem darin definierten neuen Kirchenverständnis ist die Kirche „das pilgernde Volk Gottes“, in dem jeder Einzelne Mitverantwortung trägt. Das Dokument stellt auch klar, dass „jene Menschen nicht gerettet werden“ könnten, die in die katholische Kirche „nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten“.

Papst Johannes XXIII.

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Der Konzilspapst

Papst Johannes XXIII. (Angelo Giuseppe Roncalli) gilt als der Vater des Konzils. Der wegen seiner Volksnähe und Bescheidenhiet ungemein populäre Papst erlebte das Ende des II. Vaticanums nicht mehr, er starb am 3. Juni 1963 an Magenkrebs. Johannes XXIII. wurde 2000 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Eine der großen Leistungen des Konzils ist die Erleichterung der Ökumene. Zu den anderen christlichen Konfessionen, aber auch anderen Religionen bestimmte das Konzil mit dem „Dekret über den Ökumenismus (Unitatis redintegratio)“ das Verhältnis neu. Der Dialog mit Protestanten und Orthodoxen wurde selbstverständlich. Die Konzilsväter verkündeten, bei „besonderen Anlässen“ sei es „erwünscht, dass sich die Katholiken mit den getrennten Brüdern im Gebet zusammenfinden“. In der Erklärung „Dignitatis humanae“ bekannten sich die Konzilsväter zur Religionsfreiheit. In der Erklärung „Nostra aetate“ öffnete sich die Kirche für den Dialog mit den nicht christlichen Religionen. Zudem wurden Juden nicht länger als „Christusmörder“ bezeichnet.

Zölibat nicht zur Diskussion

Beim Thema Zölibat hielt die katholische Kirche an ihrer harten Linie fest: Das Konzil hielt im „Dekret über Dienst und Leben der Priester (Presbyterorum ordinis)“ an der Ehelosigkeit der Geistlichen als „in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen“ fest. Der Zölibat bleibe darum „allen, die die heilige Weihe empfangen sollten, als Gesetz auferlegt“.

Das Konzil mahnte alle Priester, die „in freier Entscheidung nach Christi Vorbild den Zölibat auf sich genommen haben, (...) treu in diesem Stand auszuhalten“. Laiengruppen und einige Bischöfe hatten eine Debatte über verheiratete Priester angeregt, Papst Paul VI. eine Diskussion über den Zölibat auf dem Konzil aber als „nicht opportun“ abgelehnt. Eine Aufwertung der Frauen in der katholischen Kirche wurde ebenso wenig in Gang gesetzt.

Den einen zu wenig, den anderen zu viel

Liberale Katholiken kritisierten, der mit dem Konzil in Angriff genommene Reformprozess sei im Ansatz steckengeblieben. Es gibt auch bereits Rufe nach einem Dritten Vatikanischen Konzil. Kritiker werfen der katholischen Kirche vor, damals vom Konzil begonnene Reformen im Keim erstickt zu haben. Tatsächlich kommen die Konzilstexte selbst rückwärtsgewandten Kräften entgegen. Trotz des darin ausgedrückten Reformwillens erlauben vorsichtige oder konservative Formulierungen den Gegnern von Liberalisierung eine entsprechend modernisierungsfeindliche Auslegung.

Anderen wie dem französischen Erzbischof Marcel Lefebvre gingen wiederum die durchgesetzten Reformen schon zu weit. Er gründete 1970 die erzkonservative Priesterbruderschaft Pius X., die unter anderem eine Rückkehr zur lateinischen Messe fordert. Bis heute ist es der Kirche nicht gelungen, dieses Schisma wieder aufzuheben.

KAP/dpa/religion.ORF.at

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Link:

  • Konzilsblog (www.kath.ch/nucleus/konzilsblog.php?blogid=11)