Der Streit um den Ethikunterricht

Bis Ende des Jahres will Unterrichtsministerin Claudia Schmied ein Konzept für einen österreichweiten Ethikunterricht vorlegen. Bisher sind sich aber weder Politik noch Gesellschaft einig, wie ein solcher gestaltet werden soll.

Ethikunterricht – vor 20 Jahren verbanden wohl die wenigsten mit diesem Schlagwort konkrete Vorstellungen. Seit in Österreich vor 15 Jahren die ersten Schulversuche gestartet wurden, ist die Diskussion über das neue Fach allerdings ein fixer Bestandteil des bildungspolitischen Diskurses. Dabei gilt: Wer in Österreich Ethikunterricht sagt, muss auch Religionsunterricht sagen - oder zumindest die Frage nach dem Schulfach Religion mitdenken. Soll der Ethikunterricht eine Alternative zum Religionsunterricht darstellen, diesen ganz ersetzen oder doch als eigenständiges Pflichtfach zusätzlich zum konfessionellen Unterricht in die Lehrpläne eingehen?

Drei mögliche Modelle

Diese Fragen haben wenig überraschend auch in den am 1.Oktober ans Parlament übermittelten Bericht des Bildungsministeriums Eingang gefunden. In diesem stellt Bundesministerin Claudia Schmied (SPÖ) drei Modelle vor, wie sich ein zukünftiger Ethikunterricht in Österreichs Oberstufen gestalten könnte.

Der Ethikunterricht könnte nach dem Bericht des Bundesministeriums dabei entweder als zusätzliches Pflichtfach oder als Alternativfach zum Religionsunterricht angeboten werden. Als weitere Alternative wird die Integration ethischer und weltanschaulicher Lerninhalte in ein bestehendes Unterrichtsfach, wie etwa Psychologie/Philosophie, vorgeschlagen - mehr dazu:Ethikunterricht: Drei Varianten zur Diskussion (religion.ORF.at; 01.10.2012)

Lehrer an Tafel

ORF / Tausend Rosen Film

Religionsunterricht versus Ethikunterricht - Konkurrenten oder Partner?

Ethikunterricht als Alternative

Die Reaktionen der Religionsgemeinschaften auf diesen Bericht folgten ebenso schnell wie jene von Politik und religionskritischen Gruppen. „Der konfessionelle Religionsunterricht ist ein Recht des Kindes und ein vorrangiges Bildungsziel“, machte sich die neugewählte Vorsitzende der Katholischen Aktion, Gerda Schaffelhofer, gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur kathpress für das Unterrichtsfach Religion stark. Wie auch der Ökumenische Rat der Kirchen sieht Schaffelhofer den Ethikunterricht nur als Ersatz für jene Schüler, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben.

Die christlichen Kirchen sind damit auf einer Linie mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Eine starke Identität und das Wissen um die Weltanschauung der eigenen wie auch anderer Religionen bilde „die Grundlage für ein respektvolles Miteinander", heißt es in einer Aussendung der IGGiÖ, die eine solche Grundlage im konfessionellen Religionsunterricht gesichert sieht - mehr dazu: Muslime für alternativen Ethikunterricht (religion.ORF.at; 03.10.2012)

Politische Rückendeckung für die Religionsgemeinschaften kommt von der ÖVP und deren Integrationsstaatsekretär Sebastian Kurz. Noch einen Tag bevor der Bericht des Unterrichtsministeriums seinen Weg ins Parlament fand, zitierte die „Presse am Sonntag“ Teile eines Positionspapier des Staatssekretärs. Nach diesem soll der Ethikunterricht bereits ab der ersten Klasse Volksschule angeboten werden – aber eben nur für Schüler, die ohne Bekenntnis oder vom Religionsunterricht abgemeldet sind.

Ethik für alle

Was für Religionsgemeinschaften und ÖVP der Sicherung von Vielfalt und Werten dient, ist für SJ-Vorsitzenden Wolfgang Moitzi „eine Art Straf-Ethikunterricht“. „Wenn ein Ethikunterricht eingeführt wird, dann sollte er anstelle des Religionsunterrichts angeboten werden - und zwar mit eigens ausgebildeten Lehrkräften“, so der Jungpolitiker in einer Aussendung. Diese Position teilt auch der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser. „Niemand soll indoktriniert werden, sondern alle sollen und müssen in der Schule zu einem Gedankenaustausch über unterschiedliche, miteinander oft unvereinbare Werthaltungen animiert werden", formuliert Walser durchaus provokant.

Gemeinsam mit der „Initiative Religion ist Privatsache“, und anderen Organisationen und Privatpersonen hat Walser deshalb im September die Plattform „Ethik für alle“ gegründet. Die Plattform setzte sich für die Einführung eines Fachs Ethik ein, „das diesen Namen auch verdient“, so Heinz Oberhummer, Obmann der „Initiative Religion ist Privatsache“.

Kontroverse Debatte

Unterstützung könnten Harald Walser und seiner Partei aber auch aus den Reihen der katholischen Kirche selbst erwachsen. Der Religionspädagoge und Professor für Praktische Theologie an der Universität Salzburg, Anton Bucher, hat erst im Sommer mit der Idee eines gemeinsamen „Ethik- und Religionskundeunterrichts“ aufhorchen lassen. Buchers Modell überschneidet sich an vielen Stellen mit den Vorstellungen des grünen Bildungssprechers. Aus kirchlichen Kreisen erwuchs dem Religionspädagogen dafür einiges an Kritik - mehr dazu: Forderung nach kombiniertem Ethik- und Religionsunterricht (religion.ORF.at; 28.08.2012)

Zwar hat Bildungsministerin Claudia Schmied angekündigt, noch bis Ende des Jahres ein fertiges Konzept für den Ethikunterricht zu entwickeln. Ob der kontroversen Diskussion, die sich um die Thematik entsponnen hat, könnte bis zu einer gesetzlichen Regelung noch einiges an politischem Kleingeld gewechselt werden. Schließlich hängt an der Entscheidung zum Ethikunterricht auch die Frage nach der Ausbildung jener Lehrer, die das Fach unterrichten sollen.

Martin Steinmüller, religion.ORF.at

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