Helmut Schüller wird 60

Am 24. Dezember feiert der Sprecher der Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, seinen 60. Geburtstag. Auch angesichts des Medienrummels rund um seine Person will er vor allem eines sein: Seelsorger.

Eigentlich ist Helmut Schüller ein ganz normaler Landpfarrer - zumindest sieht er sich selbst gern so. Die Pfarrgemeinde von Probstdorf im Marchfeld mit ihren knapp 800 Einwohnern sei nach wie vor seine Hauptaufgabe, sagt er. Bei aller medialen Präsenz, die Schüller vor allem in jüngster Vergangenheit auf sich zieht, ist und bleibt er vor allem Seelsorger.

Schüllers Aufstieg zum wohl bekanntesten Pfarrer Österreichs begann Anfang der 80er-Jahre. Nach seiner Priesterweihe 1977 und vier Jahren als Kaplan und Religionslehrer wurde er 1981 Jugendseelsorger der Erzdiözese Wien. Fünf Jahre später holte ihn der langjährige Direktor der Caritas Wien und Präsident der Caritas Österreich, Leopold Ungar, in die Reihen der katholischen Hilfsorganisation.

1986 löste Schüller seinen Mentor als Wiener Caritas-Direktor ab, 1991 auch an der Spitze der Caritas Österreich. Sein Engagement für Ausländer machte ihn 1993 zu einem der Ziele des Briefbomben-Attentäters Franz Fuchs - die Bombe wurde allerdings entdeckt, bevor sie Schüller erreichte.

Schönborns engster Mitarbeiter

Überraschend - auch für Schüller selbst - war 1995 sein Wechsel in die Führungsetage der Erzdiözese. Als Christoph Schönborn nach dem Abtritt von Hans Hermann Groer dessen Nachfolger als Erzbischof wurde, holte er sich Schüller als Generalvikar an seine Seite. „Ich bin nur auf die ausdrückliche Bitte von Schönborn da hingegangen“, sagt Schüller heute. „Ich wäre auch gern noch in der Caritas geblieben.“

Helmut Schüller präsentiert die erste Ausgabe des Magazins "Dialog" im Jänner 1997

OTS/Gerhard Schnabl

1997 präsentierte Helmut Schüller als Generalvikar die erste Ausgabe der Zeitschrift "Dialog. Das Magazin Ihrer Kirche. Die Medienarbeit war ihm schon damals sehr wichtig.

Die wenigsten hätten damals wohl damit gerechnet, dass Schüllers Zeit als Generalvikar so kurz sein würde. Er galt als „Macher“ in der Erzdiözese und als Schönborns engster Mitarbeiter. Schüller forcierte vor allem die Medienarbeit, setzte aber beispielsweise auch ein Sparpaket innerhalb der Diözese um, das unter anderem die Priestergehälter kürzte.

Viele sahen ihn damals als aussichtsreichen Kandidaten auf ein Bischofsamt - er selbst sagt heute, dass er nie ein solches angestrebt habe. „Ich bin Vollblut-Seelsorger, ich arbeite gerne an der Schnittstelle von Kirche und Gesellschaft, habe das auch immer getan. Das ist meine Denkrichtung. Dieses Funktionen-Getue ist mir widerlich, das liegt mir überhaupt nicht.“

„Nacht-und-Nebel-Aktion“

Nach nicht einmal vier Jahren folgte schließlich die wohl überraschendste Wende in Schüllers bisheriger Laufbahn. Die Geschichte ging wie ein Lauffeuer durch die Medien: In einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ deponierte Schönborn einen brisanten Brief vor Schüllers Tür im Erzbischöflichen Palais. Mit sofortiger Wirkung wurde Schüller seines Amtes als Generalvikar enthoben. Die Begründung: „Tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten“. Die Details bleiben der Öffentlichkeit bis heute verborgen.

Heute spricht Schüller nicht gern über jene Nacht im Jahr 1999 - sein persönliches Verhältnis zu Kardinal Schönborn werde medial ohnehin genug breitgetreten, meint er im Gespräch mit religion.ORF.at. Er selbst macht sich jedenfalls keinen Vorwurf: „Wenn ich in Positionen berufen wurde, habe ich versucht, das Beste zu tun. Es gibt eigentlich keine Entscheidungen, die ich heute bereue.“ Außerdem, so Schüller, habe er durch sein Ausscheiden aus dem Amt des Generalvikars wieder mehr Zeit für seine Pfarre gehabt - und auch für weitere - neue - Aufgaben.

Die Aufgaben, denen sich Schüller seither widmet, sind vielfältig. So war er beispielsweise von 1996 bis 2005 Leiter der Ombudsstelle für sexuellen Missbrauch der Erzdiözese Wien seit 2007 ist er Vorstandsvorsitzender von Fairtrade Österreich. Die bisher letzte große Wende erfolgte allerdings im Jahr 2006, als Schüller gemeinsam mit seinem Pfarrer-Kollegen Udo Fischer die Pfarrer-Initiative ins Leben rief.

Ein Aufruf und seine Folgen

Als diese im Juni 2011 ihren mittlerweile weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannten „Aufruf zum Ungehorsam“ veröffentlichte, erreichten Schüllers Medienpräsenz und Bekanntheit ein neues Allzeit-Hoch. Der Aufruf, in dem sich die Mitglieder der Pfarrer-Initiative für tiefgreifende Reformen in der katholischen Kirche - wie etwa die die Aufhebung des Pflichtzölibats und die Gleichstellung von wiederverheirateten Geschiedenen - aussprechen, zog weite Kreise.

Schüller gilt als das Mastermind hinter dem Dokument. Kritiker werfen ihm unter anderem vor, die Pfarrer-Initiative sei sein persönlicher Rachefeldzug gegen Kardinal Schönborn. Schüller lässt diese Kritik kalt: „Wer mir das unterstellt, den kann ich sowieso nicht überzeugen. Mit dem beschäftige ich mich nicht.“

Helmut Schüller im Gespräch mit Mitgliedern der Pfarrer-Initiative

APA/Rubra

Schüller gilt als das Mastermind hinter dem „Aufruf zum Ungehorsam“ - inzwischen ist er auch über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt geworden.

Dabei waren seine Positionen nicht immer so klar. „Als Junger habe ich das noch nicht so scharf gesehen“, so Schüller. „Wir haben damals als junge Priester unter Kardinal König geglaubt, dass die Entwicklung nach dem Konzil weitergehen würde. Zwar langsam, aber doch.“ Es kam aber anders. Die kirchenpolitische Wende der 80er- und 90er-Jahre, die in den Bischofsernennungen von Hans Hermann Groer und Kurt Krenn gipfelte, habe eine ganz neue Situation erzeugt, die auch ihn selbst zu schärferen Positionen geführt habe.

Entscheidend zu Schüllers heutiger Einstellung beigetragen haben aber auch seine Erfahrungen in der Seelsorgepraxis: „Zum Beispiel, dass Pfarren wie die meine keine Zukunft mehr haben, weil sie nicht groß genug sind für die Zukunftspläne der Diözesen“, erklärt Schüller. „Die Situation, dass niemand mehr nach mir kommen wird, dass ich meine Pfarrgemeinde in eine ungewisse Zukunft schicken müsste, gibt einfach zu denken.“

Ablöse nicht in Sicht

Heute steht Schüller an der Spitze einer Protestbewegung innerhalb der katholischen Kirche, die immer lauter wird. Für das Jahr 2013 ist bereits eine internationale Versammlung der Pfarrer-Initiative mit ähnlichen Gruppierungen aus anderen Ländern angekündigt. Schüller denkt auch mit 60 nicht ans Aufhören - auch wenn er sich manchmal wünscht, dass irgendwann Jüngere seine Nachfolge antreten. „Man überlegt sich schon, wie lange man noch über ausreichende Kräfte verfügt, um das zu tun, wie man es sich selbst vorstellt“, sagt er.

Dennoch hat der Landpfarrer aus dem Marchfeld noch einiges vor: Mit der Pfarrer-Initiative möchte er „möglichst viel dazu beitragen, dass sich das System ändert.“ Seiner Gemeinde Probstdorf will er eine gute Zukunft sichern. Und schließlich, so meint er im Gespräch mit religion.ORF.at, wolle er „möglichst vielen Menschen ein guter Seelsorger sein.“ Wie es sich für einen einfachen Landpfarrer gehört.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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