Schiiten in Pakistan rufen Militär zu Hilfe

Nach einem der schwersten religiös motivierten Übergriffe in Pakistans Geschichte riefen Schiiten-Führer am Freitag die Armee zu Hilfe. Zu den Anschlägen bekannte sich eine sunnitische Extremistengruppe.

In Pakistan schlagen Menschenrechtler und Schiiten wegen immer schärferer Angriffen auf die Bevölkerungsminderheit Alarm. Das Militär müsse zum Schutz der Minderheit die Kontrolle der Provinzhauptstadt Quetta übernehmen, forderten Schiiten-Führer. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte, die Gewalt gegen die Muslime schiitischen Glaubens nehme stark zu. Nach 400 Toten allein im vergangenen Jahr deuteten die Anschläge vom Donnerstag darauf hin, dass sich die Lage weiter zuspitze. Einige Schiiten-Kommunen würden praktisch belagert.

Trauernde bei Beerdigung eines der Opfer des Anschlags vom 11. Jänner im Südwesten Pakistans

APA/EPA/Haseeb Ali

Trauernde bei der Beerdigung eines der Opfer des Anschlags vom 11. Jänner im Südwesten Pakistans

In der Provinzhauptstadt Quetta waren am Donnerstag bei einem Doppelanschlag 82 Menschen ums Leben gekommen. Deren Leichen würden nicht beerdigt, bis die Forderungen der Schiiten nach einem Militäreinsatz erfüllt seien, sagte Maulana Amin Shaheedi, Chef einer Dachorganisation schiitischer Organisationen und Geistlicher. Eigentlich sollten die Opfer nach den Freitagsgebeten beigesetzt werden. Doch nun sollten sie in der Moschee bleiben, bis den Schiiten Schutz zugesichert werde.

Schiiten fühlen sich ungeschützt

Für die an Afghanistan grenzende Provinz Belutschistan ist das paramilitärische Grenzcorps zuständig. Doch die Schiiten werfen der Gruppe vor, sie nicht vor Übergriffen sunnitischer Extremisten beschützen zu können oder zu wollen. Die verbotene Sunniten-Gruppe Lashkar-e-Jangvi (LeJ) bekannte sich zu den koordinierten Anschlägen in einem überwiegend von Schiiten bewohnten Stadtvierteln Quettas.

Dort wurde der erste Sprengsatz von einem Selbstmordattentäter in einer Billardhalle gezündet. Zehn Minuten später detonierte eine Autobombe. Zuvor waren bei einer Explosion auf dem belebten Markt der Stadt schon elf Menschen getötet worden. Hierzu bekannte sich die United Baloch Army, die für die Unabhängigkeit Belutschistans kämpft. Die arme, aber rohstoffreiche Provinz nimmt fast die Hälfte Pakistans ein, jedoch wohnen dort nur acht Millionen der 180 Millionen Bürger.

„So viel Gewalt wie noch nie zuvor“

In Pakistan wie auch weltweit sind die meisten Muslime Sunniten. Etwa 20 Prozent der Pakistanis gehören der schiitischen Glaubensrichtung an. Ihre Lage hatte sich bereits 2012 verschärft, wie Human Rights Watch betonte. „Das vergangene Jahr war für die Schiiten mit so viel Gewalt verbunden wie noch nie zuvor“, sagte Ali Dayan Hasan von der Menschenrechtsorganisation. Die Verfolgung der Minderheit gehe soweit, dass sich deren Mitglieder mancherorts kaum noch aus ihren Wohngebieten heraus trauten. „Sein Ghetto zu verlassen bedeutet, sein Leben zu riskieren.“

APA

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