„Freikirchen in Österreich“ vor Anerkennung?

Fünf freikirchliche Bünde in Österreich haben beschlossen, sich zusammenzuschließen, um die gesetzliche Anerkennung zu erreichen. Eine Notlösung?

14 gesetzlich anerkennte Kirchen und Religionsgesellschaften gibt es derzeit in Österreich, doch bald könnten es - wie das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ am Sonntag berichtete, 15 sein - und das, obwohl Experten angesichts der rechtlichen Lage eigentlich von einem „Anerkennungsstopp“ ausgegangen waren.

„Freikirchen in Österreich“ soll die neue anerkannte Kirche heißen. Sie ist ein Zusammenschluss von fünf bereits bestehenden freikirchlichen Bünden: Der Freien Christengemeinde-Pfingstgemeinde, dem Bund evangelikaler Gemeinden, dem Bund der Baptistengemeinden, den Elaia Christengemeinden und der Mennonitischen Freikirche.

Jeder dieser fünf bestehenden Bünde hat derzeit den Status einer „eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft“. Sie befinden sich also in einer Art Vorstufe zur Anerkennung, die 1998 mit dem „Bekenntnisgemeinschaftengesetz“ geschaffen wurde und seither immer wieder für Diskussionen sorgt.

Zusammen fast 20.000 Mitglieder

Das Bekenntnisgemeinschaftengesetz regelt unter anderem die Voraussetzungen für einen Aufstieg von der „Bekenntnisgemeinschaft“ zur „anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft“. Jenes Kriterium, an dem sich die Freikirchen bisher die Zähne ausgebissen haben, ist das der Mitgliederanzahl. Zwei Promille der österreichischen Gesamtbevölkerung (derzeit ca. 17.000 Menschen) müssen zu einer Gemeinschaft gehören, damit sie anerkannt werden kann.

Diese Voraussetzung ist einer der Hauptgründe für den Zusammenschluss der fünf freikirchlichen Bünde. Keiner von ihnen kommt allein auch nur annähernd auf die nötigen 17.000 Mitglieder. Weil das auch für alle anderen „eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften“ gilt, hatten Experten bei der Novelle des Bekenntnisgemeinschaftengesetzes im Jahr 2011 von einem „Anerkennungsstopp“ gesprochen hatten.

Freikirchen-Vorstände bei Sitzung

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In Sitzungen wie dieser haben die Vorstände der fünf freikirchlichen Bünde in den vergangenen zwei Jahren über den Weg zur Anerkennung beraten.

Mit einem Zusammenschluss, wie ihn die Freikirchen jetzt vorhaben, war damals nicht zu rechnen. Zusammen schaffen die fünf Bünde laut internen Statistiken knapp 20.000 Mitglieder, genug also für eine Anerkennung. Der Entschluss, künftig unter einem Dach zusammenzuarbeiten, entspringt dieser für den einzelnen Bund scheinbar ausweglosen Situation. Gleichzeitig betonen die Beteiligten, dass man in den vergangenen zwei Jahren - so lange dauern ihre Gespräche bereits an - auch über die rein juristische Dimension hinaus zusammengefunden habe.

„Wir haben gemerkt, dass wir im Kern unglaublich viel gemeinsam haben, und dass uns nur Nuancen unterscheiden“, sagt etwa Walter Klimt, Generalsekretär des Bundes der Baptistengemeinden, im Gespräch mit „Orientierung“. Man habe über Unterschiede offen gesprochen, sich auf das Gemeinsame verständigt und das Trennende akzeptiert. „Wir wollen uns nicht gegenseitig ins Lenkrad greifen“, meint auch Reinhold Eichinger, stellvertretender Vorsitzender des Bundes evangelikaler Gemeinden.

Sendungslogo "Orientierung"

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Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ berichtet am Sonntag, 20.1.2013, über die Anerkennungs-Bemühungen der Freikirchen.

Sendungshinweis

„Orientierung“ am Sonntag 20.1.2013, 12.30 Uhr, ORF 2

Wiederholung

20.1.2013, 17.15 Uhr, ORF III

Der Heilige Geist als Unterschied

Der wohl größte Unterschied, der zum Wohle des neuen Bündnisses überwunden werden musste, war jener zwischen den Evangelikalen und der Pfingstbewegung, der sich neben der Freien Christengemeinde-Pfingstgemeinde auch die Elaia Christengemeinden verbunden fühlen. Bei den Pfingstlern spielen die Gaben des Heiligen Geistes, wie sie im neuen Testament beschrieben werden, eine große Rolle.

Die Pfingstler glauben, dass der Heilige Geist auch heute noch in Form der so genannten Charismen - etwa das Reden in fremden Zungen, prophetische Äußerungen oder Heilungsgebete - tätig wird. „Wir arbeiten direkt mit dem Heiligen Geist zusammen“, sagt etwa Walter Bösch, Pastor der Freien Christengemeinde in der Wiener Halbgasse. Viele Evangelikale konnten damit in der Vergangenheit nur wenig anfangen.

Allerdings, gibt Reinhard Kummer, Vorsitzender der Mennonitischen Freikirche, zu bedenken, sei das mittlerweile hauptsächlich ein Problem der älteren Generation. „Unter den Jungen gibt es diese Unterschiede in der Praxis kaum noch“, meint er. Das ginge sogar so weit, dass es für einen Außenstehenden sehr schwierig sei, die einzelnen freikirchlichen Traditionen überhaupt auseinanderzuhalten.

„Verfassung“ mit Unterschieden

Trotz derartiger Unterschiede konnten sich die fünf freikirchlichen Bünde auf eine gemeinsame „Verfassung“ einigen, die in den nächsten Tagen beim zuständigen Kultusamt im Unterrichtsministerium eingereicht werden soll. Diese „Verfassung der Freikirchen in Österreich“ streicht die Gemeinsamkeiten der Freikirchen hervor, hält aber gleichzeitig fest, dass man „die Vielfalt, den geistlichen Reichtum sowie die Tradition und Geschichte der verschiedenen christlichen Freikirchen in Österreich“ wahren wolle.

Man bekenne sich „zu Jesus Christus als dem Herrn und Erlöser der Welt gemäß der Heiligen Schrift“ heißt es etwa in der Verfassung, und „zur göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und höchsten Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung“.

Drei Punkte werden darüber hinaus als besondere Charakteristika des Glaubensverständnisses der Freikirchen herausgestrichen: „die persönliche Glaubensentscheidung“ durch die Glaubenstaufe im jungen Erwachsenenalter, „die Selbstständigkeit der Ortsgemeinde“ sowie „die Trennung von Kirche und Staat“.

Unterstützung von „Großkirchen“

Unterstützung bekommen die Freikirchen auch von den so genannten „Großkirchen“. Sie seien unter den Christen die am stärksten wachsende Gruppe, meint etwa Kardinal Christoph Schönborn im Interview mit religion.ORF.at, und als solche eine „ganz starke Realität“, die die anderen Christen anzuerkennen hätten. Bei der evangelischen Kirche fällt die Unterstützung sogar noch deutlicher aus: Jener Anwalt, der die Freikirchen vor dem Kultusamt vertritt, ist gleichzeitig Synodenpräsident der evangelischen Kirche A.B. in Österreich: Peter Krömer.

Kommende Woche wird Krömer den Antrag mit allen nötigen Unterlagen beim Kultusamt einbringen. Die Vertreter der Freikirchen sind durchwegs optimistisch, wenn es auch noch den einen oder anderen Stolperstein geben könnte: Der Nachweis der Mitgliederzahlen könnte zum Beispiel noch zu einem Problem werden.

Ein „außerordentliches“ Problem

Laut Bekenntnisgemeinschaftengesetz werden die Daten über die Mitgliederzahlen nämlich aus einer Volkszählung gewonnen. Die letzte Volkszählung wurde in Österreich allerdings im Jahr 2001 durchgeführt, seither gibt es nur noch automatische Registerzählungen, in denen das religiöse Bekenntnis nicht erhoben wird.

Die Freikirchen müssen ihre Mitgliederzahlen also anderwertig nachweisen. Das Problem dabei: Ihr Mitgliederverständnis ist mit jenem der „Großkirchen“ kaum vergleichbar. Kinder, die noch nicht getauft sind, sowie Personen, die zwar am Glaubensleben teilnehmen, aber auf dem Papier keine Mitglieder sind, werden daher in den Statisitiken der Freikirchen als „außerordentliche Mitglieder“ geführt. Das Kultusamt wird in den nächsten Wochen zu entscheiden haben, wie mit diesen „außerordentlichen“ umzugehen ist und wie überprüft werden kann, ob die Zahlen der Freikirchen auch der Realität entsprechen.

Sollten die „Freikirchen in Österreich“ tatsächlich künftig zu den „anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften“ zählen, bedeutet das neben Vorteilen etwa im Steuer-, Arbeits- oder Veranstaltungsrecht vor allem auch die Möglichkeit eines eigenen, vom Staat finanzierten Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Die Einigung auf einen gemeinsamen Lehrplan könnte für das neue Bündnis eine erste Bestandsprobe bedeuten. Sie selbst machen sich offenbar keine Sorgen: Als Anlaufdatum für den Religionsunterricht hat man sich das ambitionierte Ziel 2014 gesetzt.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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