Eckpfeiler der Amtszeit Benedikts XVI.

Im Laufe seiner fast achtjährigen Amtszeit als Papst sorgte Joseph Ratzinger mit einigen Themen für Aufsehen. Umstritten war unter anderem seine „Regensburger Rede“ zum Thema Islam.

Von Beginn seines Pontifikats an versicherte Benedikt XVI., den Dialog der Religionen und Kulturen in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils und im Sinne seines Vorgängers, Johannes Paul II., fortführen zu wollen. Bald nach Amtsantritt traf er mit Vertretern der jüdischen und islamischen Gemeinden zusammen. Er sorgte für manche Überraschungen und musste auch Pannen durchstehen.

So offen er Nichtchristen gegenüber auftrat, so verschlossen blieb der 265. Papst den Anliegen aus den eigenen Reihen und der Ökumene mit der evangelisch-lutherischen Kirche.

Verhältnis zum Judentum

Das Verhältnis zum Judentum konnte Benedikt XVI. glaubhaft positiv gestalten. Er war der erste Papst, der eine Synagoge in Deutschland betrat und dort mit Juden zusammen betete. Joseph Ratzinger verurteilte wiederholt Antisemitismus und Rassismus. Der Synagogenvorsteher Abraham Lehrer sagte, Benedikt stehe für Akzeptanz und Toleranz gegenüber dem Judentum. Das katholische Kirchenoberhaupt verwies immer wieder auf die gemeinsamen Wurzeln von Christentum und Judentum. Im Juli 2012 sagte der Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden, Rabbi David Rosen, die Beziehungen zwischen Juden und Katholiken seien nie besser gewesen.

Papst Benedikt XVI. bei der Klagemauer in Jerusalem 2009

Reuters/David Silverman

Papst Benedikt XVI. 2009 bei der Klagemauer in Jerusalem

Risse im Dialog

Doch es taten sich auch Risse auf im Dialog. Vertreter des Judentums reagieren irritiert, als der Papst die – nie ganz abgeschaffte – tridentinische Messe als außerordentlichen Ritus wieder zulässt. Denn damit beten Christen am Karfreitag wieder für die Bekehrung der Juden. Auch wenn sie nur einmal im Jahr und nur von den - nicht allzu zahlreichen - Anhängern der alten Messe gebetet wird: die Karfreitagsfürbitte hat große symbolische Bedeutung. Wo die Karfreitagsfürbitte gebetet wird, stellt sich die Frage: Strebt die römisch-katholische Kirche Judenmission an? Oder erkennt sie im Judentum einen eigenständigen Heilsweg zu Gott?

Eine Frage, auf die die ultrakonservative Piusbruderschaft eine eindeutige Antwort gibt. Die Piusbrüder beten ungebrochen für die „Bekehrung der Juden“.

2009 reicht Benedikt XVI. der Piusbruderschaft die Hand, nimmt die Exkommunikation von vier Bischöfen der Bruderschaft zurück. Unter ihnen auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Ein Aufschrei des Protests ist die Folge – innerkirchlich, gesellschaftlich und auch von jüdischer Seite. Rechtslastige Barmherzigkeit wird dem Papst vorgeworfen – eine Barmherzigkeit, die vor allem auf Kosten des Dialogs mit dem Judentum geht. Israels Oberrabbinat fordert eine öffentliche Entschuldigung vom Papst. Im Vatikan beteuert man, von den skandalösen Aussagen Williamsons nichts gewusst zu haben. Benedikt XVI. bekräftigt bei einer Generalaudienz seine volle Solidarität mit den Juden – allerdings ohne zur Causa Williamson Stellung zu nehmen.
Ein Brief des Papstes, in dem zutiefst bedauert, dass der Vorgang „den Frieden zwischen Christen und Juden für einen Augenblick gestört“ habe, und ein Treffen mit Rabbinern aus Israel besiegeln die Beilegung des Konflikts.

Seligsprechung von Papst Pius XII.

Ein anderer Hemmschuh im Dialog der römisch-katholischen Kirche mit dem Judentum: die Seligsprechung von Papst Pius XII. Während des Zweiten Weltkriegs verfolgte Pius XII. eine strikte Politik der Neutralität – schwieg zum Völkermord an den Juden. Zum 50. Todestag seines Vorgängers stellt Papst Benedikt XVI. dessen Seligsprechung in Aussicht. Und verteidigt sein Schweigen: Pius XII. hätte erkannt, dass er nur so das Schlimmste verhindern und möglichst viele Juden hätte retten können, sagt Benedikt. Der Oberrabbiner von Haifa protestiert. Und der Papst reagiert auf diesen Protest: Das Seligsprechungsverfahren wird vorerst verzögert.

Benedikt XVI. 2006

„Ich habe tiefen Respekt für die Religionen und besonders für die Muslime, mit denen wir einen einzigen Gott anbeten und für die Ziele der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freiheit zusammenarbeiten."

Beziehungen zum Islam

Ein anderes Beispiel ist die „Regensburger Rede“ aus dem Jahr 2006, für die er nicht nur von islamischer Seite kritisiert wurde. Er zitierte darin die Äußerung eines byzantinischen Kaisers, die den Islam als „inhuman“ und gewaltbereit darstellte. Der Papst konnte in der Folge seine Absicht glaubhaft machen, den Dialog mit dem Islam fördern und suchen zu wollen sowie für Frieden einzutreten.

Er besuchte während seiner Amtszeit die Türkei und empfing 2006 eine Delegation schiitischer Muslime, mit denen er sich auf eine Erklärung zum Thema „Glaube und Vernunft im Christentum und im Islam“ geeinigt hatte. Darin wird unter anderem betont, dass Glaube und Vernunft „von sich aus gewaltlos“ seien und niemals für Gewalttätigkeit benutzt werden sollten.

Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch der Blauen Moschee in Istanbul 2006

REUTERS/Anatolian News Agency/Salih Zeki Fazlioglu

2006 beim Besuch der Blauen Moschee in Istanbul

Der Umgang mit den Piusbrüdern

2009 hob Benedikt die 1988 verhängte Exkommunikation gegen vier Priester der traditionalistischen Bruderschaft St. Pius X. auf - wie betont wurde aus rechtlichen Gründen, da die vier das Primat des Papstes anerkannt hätten. Das fiel zeitlich jedoch mit Aussagen des Holocaust-Leugners Richard Williamson zusammen, für die er mittlerweile aus der Piusbruderschaft ausgeschlossen wurde - mehr dazu in: Piusbruderschaft schließt Williamson aus. Viele deuteten den Schritt des Papstes als gefährliche Annäherung der katholischen Kirche an die Traditionalisten, die die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils - wie etwa das Bekenntnis zur Religionsfreiheit und zur Ökumene ablehnen.

Er akzentuierte in seinem Pontifikat manches anders als Johannes Paul II., insbesondere in der Debatte über das Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965). Aufbrüche und neue Ideen sollten ins Gesamtgeflecht der Kirche und ihrer Tradition eingeordnet werden. Dazu gehörte auch sein Bemühen um eine Aussöhnung mit den Traditionalisten. Durch eine breitere Einführung der „alten Liturgie“ von 1962 wollte er ihnen entgegenkommen.

Innerkirchliches Aufbegehren

Die Anliegen der Pfarrerinitiative erhörte Papst Benedikt XVI. nicht und ließ bis zu seiner Rücktrittserklärung am 11. Februar keinen Zweifel an seiner Ablehnung. Die Pfarrerinitiative fordert seit Jahren unter anderem die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene, eine Diskussion über die Aufgabe des Pflichtzölibats und die Frauenweihe. Dazu Benedikt XVI. 2010: „Die Kirche hat ‚keinerlei Vollmacht‘, Frauen zu weihen. Es ist nicht so, dass wir sagen, wir mögen nicht, sondern: Wir können nicht.“

Auch in seiner Meinung zu der Verwendung von Kondomen zum Schutz vor HIV-Aids blieb der Pontifex hart. „Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem", sagte er 2010 bei einem Besuch in Afrika.

Ökumene

So bemüht der Papst um den Dialog mit den nicht christlichen Religionen war, so wenig kümmerte er sich um die Beziehungen zu den evangelischen Kirchen. Die großen Hoffnungen bezüglich der Ökumene sind nicht in Erfüllung gegangen. Michael Bünker, evangelisch-lutherischer Bischof und Generalsekretär der Evangelischen Kirchen in Europa (GEKE), macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Schon als Präfekt der Glaubenskongregation habe Ratzinger die Nichtanerkennung der Evangelischen Kirchen betont, was er in seiner Amtszeit als Papst dann bekräftigt habe. In der Frage der Stellung des Papst-Amtes sei „keine Offenheit oder Bewegung“, so Bünker gegenüber dem Evangelischen Pressedienst.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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