Papst-Rücktritt: Spekulationen über Nachfolge beginnen

Kaum überraschend beginnen fast unmittelbar nach der Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. die Spekulationen über seine Nachfolge. Wie immer spielt dabei die Herkunft der Kandidaten eine wichtige Rolle.

117 Kardinäle werden vor dem angekündigten Rücktritt von Papst Benedikt XVI. am 28. Februar jünger als 80 Jahre sein – sie sind daher wahlberechtigt und werden beim Konklave, das zwischen dem 15. und dem 20. Tag der Sedisvakanz beginnt, über den neuen Papst abstimmen. Für das Amt des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche gibt es keine Kandidaten, es gibt keinen Wahlkampf, Wahlversprechen sind verboten.

Weißer Rauch steigt aus der sixtinischen Kapelle auf

dpa

Vermutlich im März wird wieder weißer Rauch aus der sixtinischen Kapelle das Ende des Konklaves und damit die erfolgreiche Wahl eines neuen Papstes anzeigen. Bis dahin werden die Spekulationen wohl nicht abreißen.

Der Ausgang eines Konklaves ist meist eine Überraschung, allerdings unter anderem abhängig von der Verteilung des Kardinalskollegiums auf die verschiedenen Kontinente. Von den 117 wahlberechtigten Kardinälen kommen 61 aus Europa, 19 aus Lateinamerika, 14 aus Nordamerika, je 11 aus Asien und Afrika und einer aus Ozeanien. Einige von ihnen gelten in Kirchenkreisen aber als „papabile“ – zum Papst wählbar. Ein Überblick nach Kontinenten und in alphabetischer Reihenfolge:

Kardinal Angelo Scola

REUTERS/Paolo Bona

Kardinal Angelo Scola, Italien, 71, Erzbischof von Mailand

Europa:

Angelo Bagnasco, 70, Italien, Erzbischof von Genua
Bagnasco ist Präsident der italienischen Bischofskonferenz und wurde im März 2012 vom Papst für weitere fünf Jahre an der Spitze des italienischen Episkopats bestätigt. Er gilt als fähiger Hirte und als jemand, der gut mit der säkularen Gesellschaft und den Medien umzugehen weiß. Gegen ihn könnte sprechen, dass er außerhalb Italiens kaum bekannt ist und keine nennenswerten internationalen Beziehungen vorzuweisen hat.

Peter Erdö, 60, Ungarn, Erzbischof von Budapest
Der studierte Kirchenrechtler Peter Erdö ist seit 2003 Erzbischof von Esztergom-Budapest. 2006 wurde er zum Präsidenten des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen bestellt, 2011 in diesem Amt bestätigt. Nachdem die Europäer die größte Gruppe unter den wahlberechtigten Kardinälen sind, ist diese Rückendeckung wohl nicht zu unterschätzen. Ein Manko könnte sein Alter sein: Erdö ist einer der jüngsten im Kardinalskollegium.

Gianfranco Ravasi, Italien, 70, Präsident des päpstlichen Kulturrats
Ravasi ist seit 2007 „Kulturminister“ des Vatikan und vertritt die Kirche in der Welt der Kunst, der Wissenschaft, der Kultur und gegenüber Atheisten. Dieser Lebenslauf könnte ihm schaden, falls die Kardinäle beschließen, dass sie einen erfahrenen Seelsorger als Papst wollen und nicht schon wieder einen Professor – auch wenn Ravasi ganz und gar nicht als abgehoben, sondern durchaus als umgänglich gilt. Als klassischem europäischem Intellektuellen fehlen ihm außerdem der Rückhalt unter den anderen Italienern und internationale Verbindungen.

Christoph Schönborn, Österreich, 67, Erzbischof von Wien
Schönborn ist ein früherer Student von Papst Benedikt, aber stärker als dieser von der Seelsorge geprägt. Der Erzbischof von Wien gilt als Anwärter auf das Amt des Papstes, seit er in den 90er Jahren den Katechismus herausgegeben hat. Nach den Skandalen um Kardinal Hans Hermann Groer und Bischof Kurt Krenn sowie seinem Umgang mit der Missbrauchsaffäre hat Schönborn den Ruf eines Krisenmanagers, gilt aber auch als versöhnlicher und dialogfähiger Pragmatiker. Wie sich die Debatte rund um die Pfarrer-Initiative auf seine Chancen auswirken könnte, lässt sich nur sehr schwer einschätzen. Das stärkste Argument gegen Schönborn ist allerdings, dass die Wahl von zwei aufeinander folgenden Päpsten aus dem deutschsprachigen Raum als höchst unwahrscheinlich gilt.

Angelo Scola, Italien, 71, Erzbischof von Mailand
Sein Posten als Erzbischof von Mailand gilt als Sprungbrett für das Amt des Papstes – und in vielen spekulativen Listen über einen möglichen Nachfolger wird er an erster Stelle genannt. Der Moraltheologe und Philosoph leitet seit 1995 die Lateran-Universität und das Päpstliche Institut für Ehe-und Familienstudien. Ins Kardinalskollegium wurde er 2003 aufgenommen. Benedikts Entscheidung, ein Amt für die Neuevangelisierung einzurichten – eines der größten Projekte seines Pontifikats – geht auf einen Vorschlag Scolas zurück. Auch im Dialog mit dem Islam hat sich Scola einen Namen gemacht. Was gegen ihn sprechen könnte, sind die tiefen Gräben, die sich durch die italienische Fraktion im Kardinalskollegium ziehen – Scola soll vehemente Gegner in der vatikanischen Kurie haben.

Kardinal Oscarandres Rodriguez Maradiaga

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Kardinal Oscarandres Rodriguez Maradiaga, Honduras, 70, Erzbischof von Tegucigalpa

Lateinamerika:

Oscarandres Rodriguez Maradiaga, Honduras, 70, Erzbischof von Tegucigalpa
Maradiaga wurde zeitweise als aufgehender Stern der lateinamerikanischen Kirche gefeiert. Der polyglotte Kleriker spricht nach seinem Psychotherapie-Studium in Innsbruck auch passables Deutsch. Er gilt als begeisterter Musiker und ist auch offen für ökumenische Fragen. Seit 2007 ist er außerdem Präsident von Caritas Internationalis. Für ihn – oder einen anderen lateinamerikanischen Kandidaten – könnte sprechen, dass die Kardinäle aus beiden „Amerikas“ sich unter Umständen geschlossen hinter einen Kandidaten aus ihren eigenen Reihen stellen könnten.

Leonardo Sandri, Argentinien, 69, Präfekt der Kongregation für die orientalischen Kirchen
Sandri kam als Kind italienischer Eltern in Buenos Aires zur Welt und ist damit ein echter transatlantischer Brückenbauer. Möglicherweise kann er aufgrund dessen mit Unterstützung sowohl von Europäern als auch von Amerikanern rechnen. Von 2000 bis 2007 hatte Sandri unter Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano den dritthöchsten Posten der Kirche als Stabschef des Vatikan inne. Er besitzt allerdings kaum seelsorgerische Erfahrung und als Aufseher der Kirchen im Osten hat er nicht viel Macht in Rom. Viele halten Sandri allerdings für einen besseren Kandidaten für das Amt des Kardinalstaatssekretärs als für das des Papstes.

Odilo Pedro Scherer, Brasilien, 63, Erzbischof von Sao Paulo
Der Erzbischof von Sao Paolo, der größten Diözese im größten südamerikanischen Land, zählt in seiner Heimat – unter anderem aufgrund seiner guten Verbindungen zum Opus Dei – zu den Konservativen, würde andernorts aber als gemäßigt durchgehen. Das rasante Wachstum der protestantischen Kirchen in Brasilien könnte gegen ihn sprechen. Nichtsdestoweniger wird er von vielen als der stärkste lateinamerikanische Kandidat gehandelt. Scherer hat in Rom studiert und mehrere Jahre in der Bischofskongregation gearbeitet. Aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen könnte er eine Art Kompromisskandidat sein.

Kardinal Timothy Dolan

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Kardinal Timothy Dolan, USA, 62, Erzbischof von New York

Nordamerika:

Timothy Dolan, USA, 62, Erzbischof von New York
Dolan ist die Stimme der US-amerikanischen Katholiken, seit er 2009 zum Erzbischof von New York ernannt wurde. Beim Konsistorium im Februar 2012 galt er als der „Star“ unter den neu kreierten Kardinälen. Sein Humor und sein Schwung machen ihn bei den Gläubigen zu einem populären Oberhirten. Viele Kardinäle stehen einem Papst aus einer Supermacht jedoch skeptisch gegenüber, außerdem könnte seine volksnahe Art für einige zu amerikanisch sein. Auch sein Italienisch lässt dem Vernehmen nach zu wünschen übrig. Aber immerhin: Er gilt als erster chancenreicher „papabile“ aus den USA in der Geschichte.

Marc Ouellet, Kanada, 68, Präfekt der Bischofskongregation
Als Leiter der Bischofskongregation ist Ouellet so etwas wie der Personalchef im Vatikan. Er sagte einmal, Papst zu werden „wäre ein Albtraum“. Obwohl der ehemalige Ratzinger-Schüler innerhalb der Kurie gut vernetzt ist, könnte der weitverbreitete Säkularismus in seiner Heimatprovinz Quebec gegen ihn sprechen. Ouellet ist ein weitgereister Kosmopolit mit Verbindungen in viele Regionen der Welt und hat als ehemaliger Bischof der Erzdiözese Quebec auch seelsorgerische Erfahrung gesammelt. Seine Unterstützer meinen, er würde einen bescheidenen Papst und einen tief gläubigen Verteidiger der katholischen Identität abgeben. Für seine Kritiker ist er als Ratzinger-Schüler zu nah am derzeitigen Papst.

Asien:

Luis Tagle, Philippinen, 55, Erzbischof von Manila
Was Dolan für Nordamerika ist, ist Tagle für Asien: Sein Charisma wird oft mit der Ausstrahlung von Papst Johannes Paul II. verglichen. Gleichzeitig gilt er aber als Vertrauter Benedikts XVI., nachdem er mit ihm in der Internationalen Theologenkommission zusammengearbeitet hat. Er verfügt über viele Anhänger, wurde aber erst 2012 zum Kardinal ernannt – und jüngeren Kandidaten steht das Konklave meist skeptisch gegenüber. Hinzu kommt, dass Tagle zwar in Rom studiert, aber bisher noch keine wichtigen Positionen im Vatikan bekleidet hat.

Kardinal Peter Turkson

REUTERS/Max Rossi

Kardinal Peter Turkson, Ghana, 64, Präsident des päpstlichen Rates für Frieden und Gerechtigkeit

Afrika:

Peter Turkson, Ghana, 64, Präsident des päpstlichen Rates für Frieden und Gerechtigkeit
Turkson gilt als aussichtsreichster Kandidat aus Afrika. Als Leiter des vatikanischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit ist er das soziale Gewissen der Kirche und plädiert unter anderem für eine globale Finanzreform. Bei einer vatikanischen Synode zeigte er ein muslimkritisches Video und erregte damit Zweifel über seine Haltung zum Islam. Als ehemaliger Erzbischof der ghanaischen Erzdiözese Cape Coast und Vorsitzender der ghanaischen Bischofskonferenz verfügt er außerdem über Erfahrung aus der Seelsorge.

religion.ORF.at/APA/Reuters

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