Deutscher neuer Chef der Vatikan-Bank

Der deutsche Anwalt Ernst von Freyberg wird neuer Chef der Vatikan-Bank IOR. Das gab Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Freitag in Rom bekannt.

Die zuständige Kardinalskommission unter Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone ernannte den deutschen Juristen und Finanzfachmann Ernst von Freyberg am Freitag zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Vatikan-Bank IOR. Er tritt an die Stelle von Ettore Gotti Tedeschi (67), dem im Mai 2012 das Vertrauen entzogen worden war.

Der aus Baden-Württemberg stammende Freyberg war bisher Geschäftsführer von DC Advisory Partners, einem Corporate-Finance-Beratungsunternehmen mit Standorten in Frankfurt sowie in Mittel- und Osteuropa. Zudem ist er im Malteserorden engagiert.

Der scheidende Papst Benedikt XVI. habe das Besetzungsverfahren intensiv verfolgt und seine Zustimmung zu der Entscheidung der Kardinalskommission erklärt, hieß es. Der Mitteilung zufolge nahm die Auswahl mehrere Monate in Anspruch; dabei habe man die Hilfe einer internationalen Agentur für Führungskräftevermittlung in Anspruch genommen.

Übriger Aufsichtsrat bleibt im Amt

Die übrigen vier Mitglieder des Aufsichtsrates bleiben den Angaben zufolge im Amt. Zu ihnen gehört der Deutsche Ronaldo Hermann Schmitz (74), ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Weiter sitzen im IOR-Aufsichtsrat der US-Amerikaner und „Supreme Knight“ den Kolumbusritter Carl A. Anderson (61), der Italiener Giovanni De Censi (74), Präsident der norditalienischen Bank Credito Valtellinese, sowie der Spanier Manuel Soto Serrano (72), vierter Vize-Vorsitzender der Santander-Bank.

Der Posten, den von Freyberg nun übernimmt, war seit Monaten vakant, nachdem der damalige IOR-Präsident Ettore Gotti Tedeschi nach einem Misstrauensvotum des Aufsichtsrats seinen Hut hatte nehmen müssen. Medien spekulierten über Zusammenhänge mit der „Vatileaks“-Affäre. Die Bank sah sich zudem wiederholt Geldwäsche-Vorwürfen ausgesetzt.

Vorgänger Vertrauen entzogen

Im Mai war mitten in den Aufregungen um die „Vatileaks“-Affäre die Bombe geplatzt, dass der IOR-Aufsichtsrat dem früheren Vorsitzenden Ettore Gotti Tedeschi das Vertrauen entzog. Bereits am Donnerstag hatten italienische Medien die Wahl eines belgischen Finanzfachmanns an die Spitze des „Istituto per le Opere di Religione“ (Werk für die religiösen Angelegenheiten) gemeldet. Dies war von Vatikansprecher Federico Lombardi allerdings dementiert worden.

Am Freitagmorgen berichten italienische Agenturen erneut von einer angeblichen Entscheidung, die diesmal einen deutschen Bankfachmann und Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab betreffen soll. Lombardi hatte erklärt, dass eine Entscheidung über die Bankleitung in Kürze anstehe.

Der ehemalige Chef der Vatikanbank IOR, Ettore Gotti Tedeschi

EPA/Franco Cavassi

Ettore Gotti Tedeschi führte die Vatikan-Bank IOR von 2009 bis 2012

Erste Umbesetzung 2009

Im Oktober 2009 hatte sich der Vatikan vorzeitig vom damaligen IOR-Aufsichtsratsvorsitzenden Angelo Caloia getrennt und das Gremium komplett umstrukturiert. Gründe für diesen Schritt, über den spekuliert worden war, seit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone im Februar 2008 an die Spitze der aufsichtführenden Kardinalskommission trat, wurden nicht genannt.

Zum neuen Vorsitzenden wurde der damalige Chef der Banco Santander Italia, Ettore Gotti Tedeschi, berufen. Gotti Tedeschi, der nebenbei an der Universita Cattolica in Mailand Finanzethik unterrichtet und Gastbeiträge für die Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ schrieb, war einer der Zuarbeiter für die global vielgelobte Enzyklika „Caritas in veritate“ Papst Benedikts XVI. Gotti war zudem auch Berater für die Sanierung des damals schwer angeschlagenen Haushalts des Vatikanstaats.

Der enge Vertraute Benedikts XVI. war im IOR jedoch nicht allseits geschätzt. Dazu kam, dass die italienische Staatsanwaltschaft im September 2010 gegen ihn wegen des Verdachts auf Verletzung europäischer Anti-Geldwäsche-Vorschriften zu ermitteln begann. Im Zuge von „Vatileaks“ warf der IOR-Aufsichtsrat Gotti Tedeschi vor, für das auffallend häufige Auftauchen von Unterlagen aus seinem Besitz in den Medien eine Erklärung schuldig geblieben zu sein.

Absetzung wegen Unfähigkeit

Die italienische Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“ veröffentlichte im Sommer drei vertrauliche Dokumente über Gotti Tedeschi. Sie bestätigten im Wesentlichen das, was seit der Veröffentlichung des Protokolls der Aufsichtsratssitzung von Anfang 2012 schon bekannt war: Der Aufsichtsrat hielt Gotti Tedeschi offenbar für unfähig, das Geldinstitut zu leiten. Wenig schmeichelhaft fiel auch das von der Zeitung im Wortlaut abgedruckte Gutachten eines italienischen Psychologen über den früheren Vatikan-Bankchef aus, das ihm u. a. Narzissmus attestierte.

Lombardi musste in der Folge ebenfalls klarstellen, dass das Misstrauensvotum des IOR-Aufsichtsrates gegen Gotti Tedeschi nichts mit einem innervatikanischen Konflikt um finanzielle Transparenz zu tun hatte. Ausschlaggebend für die Entscheidung seien vielmehr „objektive Gründe“ gewesen, die mit der Führung des Geldinstitutes zusammenhingen, hieß es in einer Erklärung.

Bank im eingeschränkten Sinne

Das IOR ist nur im eingeschränkten Sinne eine Bank. Einige bankentypische Dienstleistungen wie die Vergabe von Krediten bietet es nicht an. Hauptzweck des 1942 gegründeten Instituts ist laut Statuten die Verwaltung von Kapital, dessen Erträge „für Werke der Kirche und für christliche Wohltätigkeit in allen Teilen der Welt bestimmt sind“.

Das IOR verwaltet zurzeit nach eigenen Angaben 33.000 Konten mit Einlagen von insgesamt rund sechs Milliarden Euro. Der weitaus größte Teil der 25.000 Kunden (77 Prozent) stammt nach offiziellen Angaben aus Europa. Aus dem Vatikan selbst kommen 7,3 Prozent der Kunden. Zudem verfügt das IOR über eine nach eigenen Angaben geringfügige Goldreserve bei der US-Notenbank Fed.

Ein Konto beim IOR können vatikanische Einrichtungen, Orden, Bischofskonferenzen, Bistümer, Klöster und andere kirchliche Einrichtungen eröffnen. Einzelne Priester und Ordensleute benötigen eine besondere Beauftragung durch ihren Oberen. Laien können nur Kunden werden, wenn sie Angestellte oder Pensionisten des Vatikan sind, dem Diplomatischen Corps oder dem Kreis der „Ehrenkammerherrn seiner Heiligkeit“ angehören.

Operative Leitung bei einem Nichtkleriker

Geleitet wird das operative Geschäft des Instituts mit seinen 112 Beschäftigten gegenwärtig von einem Nichtkleriker, dem Generaldirektor Paolo Cipriani. Dieser wird von einem Aufsichtsrat aus fünf externen Bankern kontrolliert. Der neue Vorsitzende dieses Gremiums ist Ernst von Freyberg, der umgangssprachlich als „Vatikan-Bankchef“ bezeichnet wird. Oberstes Leitungsgremium ist eine fünfköpfige Kardinalskommission unter Vorsitz des Kardinalstaatssekretärs.

Bilanzen veröffentlicht die Vatikan-Bank nicht. Rechenschaftspflichtig war das Institut bis vor kurzem allein dem Papst; er verfügt auch über den jährlichen Gewinn. 2010 stellte das IOR Benedikt XVI. 55 Millionen Euro zur Verfügung.

KAP

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